Sophia Luvaras erster Feature-Dokumentarfilm schaffte es mit einer für die Panorama-Sektion typischen LGBT-Story in die diesjährige Berlinale, darf sich aber wohl nicht auf ein Release in China freuen.
Wie der Titel schon erahnen lässt, geht es um die Situation von Schwulen und Lesben in China. Doch die italienische Regisseurin geht noch einen Schritt weiter, indem sie das Thema mit einem anderen gesellschaftlichen Druck verstrickt: Nachkommen zeugen zu müssen. Dass chinesische Eltern bei ihrem Enkelwunsch sehr pragmatisch sein können, kennen wir schon aus Ang Lees „Hochzeitsbankett“ (1993). „Inside the Chinese closet“ ist das dokumentarische Pendant zu diesem Phänomen.
„Once you get out of the closet, your parents get in“ ist eine zentrale Aussage des Films. Sie beleuchtet die Problematik von chinesischen Eltern, die zwar langsam gelernt haben, die sexuelle Orientierung ihrer Kinder zu akzeptieren, aber (noch) nicht in der Lage sind, sich im eigenen sozialen Umfeld dafür zu bekennen oder auf Enkel zu verzichten. Homosexualität ist in China zwar nicht illegal oder wird aus religiösen Gründen verteufelt, aber gesellschaftlich gesehen gilt sie immer noch als „abnormal“. Eine interessante Rolle spielt in diesem Film eine zunehmende Akzeptanz bedingt durch das digitale Zeitalter, in dem sich die Eltern nun im Internet selbst über Homosexualität schlau machen und sich in Wechat-Gruppen der „Selbsthilfe“ untereinander austauschen können.
Heirat? Check.
In den Metropolen wie Shanghai sind vor allem junge Schwule und Lesben zumindest innerhalb ihres Vertrautenkreises geoutet. Andy, einer der beiden Protagonisten, ist Architekt und erklärt auf Englisch selbstbewusst in die Kamera, dass er in der sogenannten Bear Liga sehr beliebt ist.
Sowohl er als auch die lesbische Hauptfigur Cherry, die in einer ländlichen Gegend aufgewachsen ist, besuchen auf das Drängen der Eltern hin Fake Marriage Markets. Auf denen sollen Schwule und Lesben freundschaftlich zueinander finden und eine Scheinehe eingehen. So haben die Eltern endlich Ruhe vor nervigen Nachfragen danach, wann die eigenen Kinder endlich heiraten. Mittels künstlicher Befruchtung, Leihmutterschaft oder illegalen Erwerbs von Babys möchten sich einige, die in dieser Situation stecken, die nächste unangenehme Frage nach den Nachkommen ebenfalls von Leib halten.
Sophia Luvara ist ein sensibles Porträt gelungen. Dafür, dass sie kein Chinesisch spricht, ist sie nach vierjähriger Projektentwicklung und Produktion erstaunlich nah an ihre Protagonisten herangekommen. Ihr Dokumentarfilm richtet sich jedoch zuvorderst an ein westliches Publikum, zumal kein offizieller Release in China geplant bzw. möglich ist.