Anlässlich der erfolgreichen Mondlandung der Chinesischen Raumfahrbehörde und der nachfolgenden Roverausflüge geht sinonerds der Sage um Chang’e und den Jadehasen im Mond auf die Spur.
Sicherlich hat schon jeder von uns in einer sternenklaren Nacht den Mond betrachtet und sich gefragt, wie es da wohl aussieht und wer dort so lebt. Viele Kulturen haben unterschiedliche Antworten auf die Frage gefunden, so gibt es bei uns den Mann im Mond und in einigen Ländern der Südhalbkugel eine Frau im Mond. In Gambia erzählt man sich von einem Krokodil im Mond und mancherorts sieht man im Mond einen Hasen. So auch in China: Hier fristete ein sagenumwobener Hase schon lange sein einsames Dasein, bis sich eine gewisse Chang’e dazugesellte.
Man erzählt sich die wildesten Geschichten von Chang’es Reise auf den Mond. Trotz großer Unterschiede stimmen sie alle in dem Punkt überein, dass Chang’e eine Frau war, die aus dem himmlischen Palast des Jadekaisers verstoßen wurde und so ein Leben als Sterbliche führen musste. Eines Tages erschienen zehn Sonnen am Himmel und es wurde verzweifelt nach einem Mittel gesucht, um die Hitze und Dürre zu beenden. Zufällig war der Gefährte Chang’es ein vortrefflicher Bogenschütze namens Houyi, der kurzerhand neun der zehn Sonnen vom Himmel schoss. Das wusste der Jadekaiser zu schätzen: Als Belohnung für seine Dienste (oder aus Gier nach Unsterblichkeit, je nach Geschichte) gelangte Houyi in den Besitz eines Elixiers der Unsterblichkeit in Form einer kleinen Pille.
Von hier an gehen die Geschichten stark auseinander. Eine besagt, dass Houyi die Pille in einem Kästchen versteckte und es Chang’e verbat, in das Kästchen zu sehen. Doch ihre Neugier ging mit ihr durch, und da fand sie die Pille. Just in diesem Moment kam Houyi nach Hause, und aus Schreck oder Scham verschluckte Chang’e das Elixier der Unsterblichkeit. Eine andere Version erzählt von einem üblen Widersacher, der Houyi das Elixier abnehmen wollte. Chang’e weigerte sich, die Pille herauszurücken und schluckte sie selbst, damit die göttliche Gabe der Unsterblichkeit nicht missbraucht werden könnte. Gemeinsam ist diesen und anderen Versionen, dass Chang’e nicht nur unsterblich wurde, sondern auch durch die wundersame Kraft der Pille immer höher in den Himmel schwebte, bis sie letztendlich auf dem Mond landete. Was hat es nun mit dem Hasen auf sich? Mit etwas Fantasie kann man die Form eines Hasen in den Kratern des Mondes erkennen; Dichter in der Han-Periode sahen ihn sogar Tränke für die Götter mischen und ehrten ihn mit dem Namen Jadehase. So richtig taucht er zwar in Chang’es Geschichte nicht auf, aber man sagt sich, dass er ihr auf dem Mond Gesellschaft leistet und für sie mehr vom Elixier der Unsterblichkeit braut.
Viele Menschen haben seitdem nach Chang’e und dem Jadehasen Ausschau gehalten. Die meisten natürlich von der Erde aus, aber auch Houston Ground Capcom gab der Crew von Apollo 11, der ersten bemannten Mondmission, die Anweisung, nach Chang’e und ihrem Begleiter Ausschau zu halten. Der zweite Mann auf dem Mond, Buzz Aldrin, antwortete darauf: “Okay. We’ll keep a close eye out for the bunny girl.” (Nachzulesen im Transkript der Apollo 11 Mission) Leider blieb seine Suche erfolglos.
Seit dem 14. Dezember 2013 wissen wir aber sicher, dass Chang’e und der Jadehase auf dem Mond zu finden sind. Jedoch nicht in ihrer fleischlichen oder unsterblichen Form, sondern als Mondsonde und Mondrover, die von einer Rakete des Typs Langer Marsch 3B Anfang Dezember 2013 in den Orbit geschossen wurden. Chang’e 3, wie die Sonde mit ganzem Namen heißt, vollzog die erste sanfte Mondlandung seit 1976, als kurze Zeit vor Maos Tod die Sowjetunion das letzte Mal solch eine Landung vollbrachte. Der Jadehase ist gar der erste Rover auf dem Mond seit 1973. Damit ist die Volksrepublik China die dritte Nation unserer Welt, die eine Mondlandung geschafft hat!
Die Mondlandung wurde mit großem Medienspektakel und eigens eingerichteten Webseiten begleitet. Sie wird sicher noch lange das chinesische Selbstbewusstsein und den chinesischen Nationalstolz bestärken. Das große Ziel der CNSA ist es, bis 2020 Proben vom Mond zurück auf die Erde zu holen und irgendwann in der Zukunft auch Menschen auf den Mond zu bringen. Das haben bis jetzt nur die USA geschafft. China möchte auf allen Ebenen beweisen, dass sie zu den Großmächten dieser Welt gehören, und seit Mitte Dezember ist klar, dass sie diesen Platz in der Raumfahrt eingenommen haben. Ob sie daraus auch Kapital schlagen können oder aber wie die mythologische Chang’e einsam und abgeschieden auf dem Mond sitzen bleiben werden, bleibt abzuwarten.
Chinesische Entsprechungen und Pinyin der im Text verwendeten Eigennamen
Chang’e: 嫦娥 Cháng’é
Jadehase: 玉兔 Yù Tù
Houyi: 后羿 Hòu Yì
Jadekaiser: 玉皇 Yù Huáng
Langer Marsch: 长征 Cháng Zhēng
CNSA (Chinese National Space Administration):
国家航天局 Guó Jiā Háng Tiān Jú