Das MERICS (Mercator Institute for China Studies)* lud jüngst zu einer lockeren Diskussionsrunde über den chinesisch-europäischen Dialog. Das Besondere: Allerlei “young professionals” durften den figurativen Sprung ins Goldfischglas wagen und sich das Podium mit erfahrenen Expert*innen teilen. Davon haben große und kleine Fische etwas – aber bis wohin reicht das Aquarium? Und wer schwimmt hier eigentlich mit?
Trotz der leicht versteckten Lage in einem weitläufigen Hinterhof am Berliner U-Bahnhof Klosterstraße ist der Veranstaltungsraum dank geschickt platzierter Hinweisschilder schnell zu finden. Ich bahne mir meinen Weg durch ein Stimmen- und Körpergewirr, vorbei an einem ansehnlichen Buffet (wäre ich pünktlich gewesen, hätte ich mir sicher eine Bretzel geschnappt) und eben diesen (sind sie das überhaupt?) young professionals mit Chinainteresse und Sektgläsern in den Händen.
Mein Eindruck: Viele hier kennen sich, sind zum Beispiel Teil des European China Talent Programme oder einfach in der Berliner Szene junger Chinaaffiner unterwegs. Ich suche mir einen freien Platz und ärgere mich kurz, dass ich so schlecht schätzen kann. Vorsichtiger Versuch: Es sind ungefähr 50 Personen hier. Ein Großteil setzt sich nun auch auf die u-förmig um das Podest angeordneten Stühle.
Dialogformate hier, Forumtheater da
Besondere Aufmerksamkeit wird am heutigen Abend drei geladenen Gästen zuteil: Angela Köckritz, langjährige Ostasien-Korrespondentin der ZEIT, Johannes Braun, Projektleiter im Deutsch-Chinesischen Projekt Qualitätsinfrastruktur der GIZ sowie der Germanistin und Medienwissenschaftlerin Zhu Yi, MERICS-interne wissenschaftliche Mitarbeiterin. Den Abend moderiert Elena Klorer, Organisatorin des Talent Programmes, auf dem Podest stehen außerdem zwei leere Stühle, die im Laufe der Diskussion abwechselnd von Freiwilligen aus dem Publikum besetzt werden – eine gemeinsame Nachdenkrunde mit Expert*innen im Fishbowl-Format.
Die folgenden Minuten berichten die Panelists vor allem aus ihrem Arbeits- und Reisealltag, sowie von Erfahrungen, die sie in persönlichen Gesprächen gemacht haben. Ein genauerer Blick wird auch auf die Dialogformate der GIZ (über die man hier mehr erfahren kann) geworfen, die weniger auf zivilgesellschaftlicher Ebene ansetzen, sondern vor allem Wirtschaftsakteure vernetzen und als Unterstützungsstrukturen fungieren. Das glaube ich zumindest, denn ehrlich gesagt habe ich von diesen Dialogformaten noch nie zuvor gehört und abschließend erklären wollen sie sich mir während des Abends auch nicht.
Die Wortbeiträge aus dem Publikum zeigen vielleicht ähnliches – sie richten den Fokus eher auf Fragen rund um persönlichen Austausch, Möglichkeiten der Kommunikation für Blogger und Netizens, oder den beidseitigen Umgang mit Vorurteilen und Stereotypen. Sogar über Augusto Boal und sein Forumtheater als Interaktionskonzept wird in diesem Zusammenhang gesprochen. Leider bleibt jedoch nur wenig Platz für eine tiefergehende Diskussion dieser Hereingaben.
Wie weit können wir schwimmen?
Ich lasse meinen Blick durch den Raum schweifen und denke darüber nach, wer hier eigentlich miteinander spricht und wer nicht. Natürlich sind MERICS-Interne hier, dann die Teilnehmenden des Talent Programms und Freunde des Hauses. Vereinzelt vielleicht auch Gäste, die noch keine Beziehung zum Institut haben. Vermutlich bringen jedoch alle der hier Anwesenden persönliche Erfahrungen mit, was den Austausch zwischen Europa und China angeht. Dass diese Veranstaltung vorrangig ein solches Publikum anzieht, finde ich naheliegend – aber ich frage mich gerade deswegen, ob die hier ausgetauschten Gedanken überhaupt über den Rand unseres Goldfischglases schwappen werden, um da draußen ein paar größere Wellen zu schlagen.
Wenn man chinesisch-europäischen Vorurteilen begegnen will, mit wem sollte man dann sprechen? Vielleicht mit meinem ehemaligen Chef, der ungeschickt scherzhaft und gleichzeitig schmerzhaft überzeugt von spionierenden chinesischen Austauschstudierenden berichtet. Aber gerade der ist natürlich heute nicht hier.
Mein Fazit nach der Veranstaltung: MERICS ist überraschend zugänglich. Ich schüttele mindestens acht Menschen die Hand und unterhalte mich mit der Hälfte davon ganz angeregt. Und ich stelle währenddessen ein Glas Aperol-Spritz vor mir auf dem Stehtisch ab, das ich in lockerer Atmosphäre genieße. Bin ich jetzt eigentlich auch eine young professional? Das erscheint mir plötzlich unwichtig. Aus meiner Sicht ist es weniger die inhaltliche Diskussion, sondern vielmehr das informelle Austauschen mit anderen Gästen, das während dieser Veranstaltung den Kommunikationswillen zwischen Europa und China zeigt. Und am Ende des Abends verlassen wir schließlich alle unser bescheidenes Aquarium und teilen womöglich ein paar der hier aufgekommenen Gedanken mit den anderen Fischen da draußen (Hallo, Ex-Chef!).
*Das MERICS wird von der privaten Stiftung Mercator finanziert und zählt weltweit zu den größten unabhängigen Instituten für Forschung und Wissensvermittlung über das gegenwärtige China. Schwerpunkte der Forschung sind Internationale Beziehungen, Wirtschaft und Technologie, Innenpolitik und Gesellschaft.
Titelbild Credit: fish, goldfish, water von Midnight Cravings via flickr: Lizenz