Ein Studium mit China-Bezug wirft schon ganz zu Beginn einige wichtige Fragen auf. Welche Skills erlange ich in meinem Studium, über welches grundlegende Wissen sollte ich verfügen, und welches Material kann mir dabei helfen? Und vor allem: Was interessiert mich eigentlich?
Die meisten China-Studierenden stehen vor den gleichen Herausforderungen: die chinesische Sprache ist schwer, die chinesische Geschichte ist lang und das vielfältige China der Gegenwart scheint sich mit seinem ständigen Wandel jeglichem Versuch des Begreifens zu entziehen. Gerade zu Beginn des Studiums können diese Herausforderungen verunsichern oder gar abschrecken. Wie kann man also mit ihnen umgehen?
Die chinesische Sprache
Die Sprachkompetenz ist der „Hard Skill“ unserer Fachrichtung. Wer sich nach einigen Jahren des Studiums fragt, „was habe ich eigentlich gelernt?“ kann diese Frage zumindest mit „Chinesisch“ beantworten. Dabei muss man natürlich realistisch bleiben, was das im Rahmen eines Bachelorstudiums erreichbare Sprachniveau angeht. Aber nach wie vor bieten chinawissenschaftliche Studiengänge die besten Möglichkeiten, in Deutschland Chinesisch zu lernen. Gerade in der Anfangsphase des Studiums kann es helfen, folgende Punkte zu berücksichtigen:
Keine Angst vor der Herausforderung: In den ersten Stunden Sprachunterricht scheint es noch unvorstellbar, eines Tages 5000 verschiedene Zeichen unterscheiden zu können und es fällt noch unheimlich schwer, die vier Töne aus einem Satz herauszuhören. Aber auch in China lernt man die Schriftzeichen wie bei uns – Strich für Strich, Schriftzeichen für Schriftzeichen. Es braucht einfach seine Zeit, sich in der chinesischen Sprache zurechtzufinden. Schon bald gehen die verschiedenen Laute leichter über die Lippen und einzelnen Bestandteile der Schriftzeichen werden vertrauter.
Fehler sind normal und helfen Dir weiter: Zu einem Sinologiestudium gehört heute nicht mehr nur Chinesisch lesen, schreiben und übersetzen zu lernen, sondern es auch verständlich sprechen zu lernen. Mit dem Fortschreiten des Unterrichts bleibt aber leider immer weniger Zeit für das Training der Aussprache. Wenn sich eine falsche oder undeutliche Aussprache bereits eingeschliffen hat, lässt sie sich später nur noch schwer korrigieren. Deshalb ist es äußerst wichtig, sich gleich zu Beginn des Sprachstudiums um die eigene Aussprache zu kümmern – am besten auch selbstständig zu Hause.
Eine gute Übung ist es, Hörbeispiele laut nachzusprechen und sich vielleicht sogar selbst dabei aufzunehmen. Man kommt sich zwar etwas dämlich vor, wenn man Wortfolgen wie „mī mí mǐ mì“ oder „zhī chī shī“ auf Band spricht, eine saubere Aussprache ist ein bisschen Peinlichkeit aber allemal wert. Auch für den Sprachunterricht gilt: Keine Angst davor haben, den Mund aufzumachen! Korrigiert zu werden ist nichts Schlimmes, denn würden wir keine Fehler machen, bräuchten wir schließlich keinen Unterricht mehr.
Stift und Papier statt Smartphone: Durch Hanyu Pinyin und den technischen Fortschritt ist es sehr einfach geworden, chinesische Texte am Computer oder auf dem Smartphone zu schreiben. Für das Lernen von Schriftzeichen geht aber nichts über Stift und Papier: Die Schreibbewegungen der Hand helfen unserem Gehirn beim Einprägen der Vokabeln. Wichtige Beispielsätze aus dem Lehrbuch abzuschreiben ist eine gute Übung, ebenso wie selbst per Hand Karteikarten zu schreiben, statt auf entsprechende Apps zurückzugreifen.
sinonerds-Tipp:
Wir haben alle mal bei Null angefangen, Chinesisch zu lernen. In unserer Inforeihe Der Mandarin-Code geht es um die vielen Fragen, denen frische oder angehende Chinesischlernende begegnen. Wir hoffen, Euch so die eine oder andere Unklarheit aus dem Weg zu räumen.
Du suchst nach den ersten Wochen Unterricht nach etwas zusätzlichem Material? Hier findest du von Sinonerds empfohlene Links zum Chinesischlernen. Weitere Artikel von Sinonerds zum Thema Chinesisch findest du hier.
Die chinesische Geschichte
Egal, für welche konkrete fachliche Ausrichtung man sich bei seinem China-Studium entscheidet, eine gewisse Grundkenntnis der chinesischen Geschichte ist notwendig für die wissenschaftliche Beschäftigung mit China. Aber bei mehr als dreitausend Jahren chinesischer Geschichte ist es gar nicht so einfach, den Überblick zu behalten.
Insbesondere für Studierende, die sich keinen historischen Schwerpunkt setzen, ist ein guter Überblick über historische Gegebenheiten und Transformationsprozesse wichtiger als eine Fülle von Detailwissen zu einer bestimmten Epoche. Es gibt historische Eckdaten und Personen, die man kennen sollte und an denen man sich gut orientieren kann. Das gleiche gilt auch für die chinesischen Dynastien. Diese muss man nicht alle mitsamt ihren Jahreszahlen auswendig kennen, die wichtigen unter ihnen und ihre Reihenfolge sollten aber bekannt sein. Das ist gar nicht so schwer, wie diese Harvard-Professoren in ihrem Liedchen zeigen.
Weiterhin kann es hilfreich sein, das eigene Wissen zu Visualisieren und zu ordnen, indem man zum Beispiel aus den großen Dynastien und ihren Rahmendaten eine Tabelle macht, und diese dann mit Informationen auffüllt. Wichtige Personen und Ereignisse können hier als Ausgangspunkte dienen, sodass allmählich eine Art „historische Landkarte“ entsteht.
Wissen wird vergessen, wenn es nicht angewendet wird. Das gilt für Geschichtswissen ebenso wie für Vokabeln. Will man sein Grundwissen über die chinesische Geschichte frisch halten, bietet sich neben einer gezielten Wiederholung auch das spielerische Ins-Gedächtnis-Rufen an. Warum zum Beispiel nicht mal einen historischen Roman oder eine „Geschichte Chinas“ als Bettlektüre lesen? Auch mangelt es nicht an Kinofilmen und anderer Popkultur mit Bezügen zur chinesischen Geschichte, die man als Anregung nehmen und hinterher vielleicht einem kleinen Faktencheck unterziehen kann.
sinonerds-Tipp:
Bei so viel Geschichte kann einem schnell mal schwindelig werden, also: wo beginnen? Der Hamburger Sinologieprofessor Kai Vogelsang hat mit seiner “Geschichte Chinas” ein umfangreiches und gut lesbares Übersichtswerk geschrieben, das von der Vorgeschichte bis zur Gegenwart reicht. Für Eilige gibt es die günstigere und kürzere Version als “Kleine Geschichte Chinas”, beide erschienen im Reclam-Verlag.
Wem Geschichtsbücher zu trocken sind und wer sich für eine Zeitzeugenperspektive auf das heute oft so weit weg erscheinende China der Mao-Zeit interessiert, könnte Susanne Messmers “Chinageschichten” interessant finden. Das im Verbrecher Verlag erschienene Buch basiert auf Gesprächen mit alten Leuten aus verschiedenen Gesellschaftsschichten, die sozusagen die gesamte Geschichte der Volksrepublik miterlebt haben.
Was heißt es, China zu studieren?
Ein Hochschulstudium mit China-Bezug ist letztendlich eine unter vielen Formen der bewussten Beschäftigung mit China. Nicht zuletzt wegen seines wissenschaftlichen Anspruchs erfordert es ein gewisses Maß an Reflexion. Dazu gehören Fragen wie: Worüber sprechen wir eigentlich, wenn wir von China sprechen? Aus welcher Perspektive sprechen wir? Was kann ich im Studium über China lernen, und wie verhält sich das akademische Wissen zur subjektiven Erfahrung?
Wer drei Jahre lang Sinologie studiert hat, der „weiß“ nicht unbedingt mehr oder weniger über China als jemand, der zwar nicht studiert, aber dafür drei Jahre in China gelebt hat. Ein deutscher Professor für Sinologie „weiß“ andere Dinge über China als ein chinesischer Sinologie-Professor, und beide Professoren „wissen“ andere Dinge, als ein chinesischer Wanderarbeiter.
Für alle, die sich Sorgen machen, nichts mit dem China-Wissen anfangen zu können, gibt es übrigens immer wieder Aufmunterungen: „Es werden China-Versteher gebraucht“, lautete die Schlagzeile zu einem in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschienenen Artikel über die Wichtigkeit der China-bezogenen Studiengänge.
Es kann nicht schaden sich schon zu Beginn des Studiums darüber im Klaren zu sein, dass man niemals alles über China wissen oder es vollends verstehen kann. Vielmehr wird man sich im Lauf des Studiums der Komplexität Chinas und der eigenen Unwissenheit besser bewusst, sodass sich immer wieder auch Fragen zur eigenen Beschäftigung mit China ergeben werden. China zu studieren bedeutet also auch, sich selbst zu studieren – auch das macht das Studium zu einer unheimlich wertvollen Erfahrung.
sinonerds-Tipp:
Eine geballte Ladung China-Wissen zu einem unschlagbaren Preis bietet der aktuelle “Länderbericht China” der Bundeszentrale für politische Bildung. Er ist über eintausend Seiten dick und enthält Artikel von renommierten Chinawissenschaftlern, die wichtige Grundkenntnisse liefern. Damit ist er nicht nur sehr gut zur Vorbereitung auf das Studium, sondern auch mittendrin oder danach – sei es zum Erschließen neuer Themenfelder, zur Wiederholung oder Wiedereinstieg.
Einen Überblick über die bestehenden Studiengänge in Deutschland, Österreich und der Schweiz findest du hier – relevante Links inklusive.
Titelbild: (c) Dieter Drescher via flickr, shared under a Creative Commons licence (CC BY-NC-ND 2.0); Bild mit Schriftzeichen: Photo by NoRMaN TsAi 蔡英颉 via flickr, shared under a Creative Commons licence (CC BY-NC 2.0); Bild mit Gasse: Photo by Axel Drainville via flickr, shared under a Creative Commons licence (CC BY-NC 2.0); Bild mit Männern, die Schach spielen: Photo by Kejing GU via flickr, shared under a Creative Commons licence (CC BY-NC 2.0).