Pünktlich zum letzten Frühlingsfest kam in China der Film Dragon Blade 天将雄狮 in die Kinos. Der neben Jackie Chan mit den Hollywoodstars John Cusack und Adrien Brody bemerkenswert international besetzte 3D-Blockbuster spielte bei Produktionskosten von 65 Millionen US-Dollar allein in China bis Mitte März stolze 120 Millionen Dollar ein.
Regisseur Daniel Lee ist es gelungen, Chinas Kinogänger zu begeistern. Doch auch der Kommunistischen Partei dürfte der Film gefallen haben – und zwar auch abseits seines großen kommerziellen Erfolges. Denn er bietet nicht nur aufwändig produziertes Unterhaltungskino mit allen Schikanen, sondern auch den ein oder anderen Wink mit dem Zaunpfahl auf politischer und kultureller Ebene. Und was dabei zum Vorschein kommt, passt gut zur Rhetorik der chinesischen Regierung. Achtung: Spoiler!
Die wilde Welt der Seidenstraße
Wir befinden uns im Xinjiang der Han-Zeit, ca. 50 Jahre vor Christus. Huo An (Jackie Chan) ist ein Kommandant der „Seidenstraßen-Schutztruppe“ 西域都护府, die den Frieden unter den 36 Nationen der Seidenstraße wahren soll. Schon in den ersten Szenen der Haupthandlung wird klar: Dieser Huo An ist ein wahrer Held. Ein Meister der Kampfkunst, der zwar für Ordnung sorgt, aber nur dann Gewalt anwendet, wenn es keine andere Lösung gibt. Er und seine Frau glauben an die Gleichheit aller Menschen und seinen Sold spendet Huo An seinem verletzten Bruder. Doch seiner Rechtschaffenheit zum Trotz werden er und seine Truppe unter mysteriösen Umständen eines Verbrechens beschuldigt und zu Zwangsarbeit verurteilt: sie sollen einen an der Grenze des Reiches liegenden Außenposten, das Wildgänse-Tor, wieder aufbauen. Das Arbeitslager erweist sich als konfliktgeladener Ort. Die Sträflinge gehören den unterschiedlichen Völkern der Region an und zwischen ihnen herrschen Zwietracht, Chaos und Ineffektivität. Der Aufseher des Lagers ist ebenso aufgeblasen wie inkompetent.
Mit Schwert und Sandalen nach China
Zu allem Überfluss taucht plötzlich eine römische Legion vor dem Wildgänse-Tor auf. Doch als sich Huo An und der römische Anführer Lucius (John Cusack) im Zweikampf als ebenbürtig erweisen und ein Sandsturm aufzieht, lässt man das Kämpfen lieber sein und Huo An gewährt den erschöpften Römern Unterkunft. Dabei stellt sich heraus: Lucius und seine Mannen haben eigentlich keine feindliche Absicht, sondern befinden sich auf der Flucht. Es folgt eine Zusammenarbeit, die zu einer Art interkulturellen Erleuchtung auf beiden Seiten führt: Das Arbeitslager profitiert von der innovativen Baukunst und straffen Disziplin der Römer, während diese über die Kampfkunst der Chinesen staunen und sich den Weg zu ihren Verbündeten weisen lassen.
Die neue Harmonie findet ein jähes Ende, als der römische Usurpator Tiberius (Adrien Brody) mit seinem Heer anrückt. Dieser will die Herrschaft über die Seidenstaße an sich reißen. Zu diesem Zweck hat er bereits einige unwillige Stammesfürsten ermordet und heimlich den korrupten lokalen chinesischen Herrscher manipuliert. Also leisten die guten Römer und die Männer vom Wildgänse-Tor gemeinsam Widerstand. Huo An gewinnt die Unterstützung der Völker der Seidenstraße, bis die Verbündeten der guten Römer eintreffen. Unter größten gemeinsamen Anstrengungen und Opfern kann die durch Intrigen geschaffene Bedrohung abgewendet werden. Letztendlich wenden sich Tiberius’ eigene Truppen sogar gegen ihn.
Von Meta-Ebene zu Realität
In den vergangenen Jahrzehnten hat China als internationaler Akteur immens an Bedeutung gewonnen. Damit ist auch eine Stärkung seines Selbstbewusstseins in der internationalen Politik einhergegangen. Unter Xi Jinping ist vom großen Wiederaufstieg Chinas die Rede. Setzt man die Handlung des Films in Bezug zu dieser Realität, mag man folgende Meta-Erzählung erkennen:
Ein rechtschaffener Anführer Chinas und sein westliches Gegenstück erkennen die Ebenbürtigkeit ihrer Kulturen und den Nutzen der Völkerfreundschaft. Der gemeinsame Feind ist ein ausländischer Imperialist, der die Macht in seinem Land unrechtmäßig an sich gerissen und obendrein die lokale Regierung korrumpiert hat. Doch die verschiedenen Völker Chinas stehen vereint hinter einer moralischen und charismatischen Führung und haben ihre Verbündeten. Dem hat der Imperialist nichts entgegenzusetzen und verliert schließlich seine unrechtmäßig erlangte Macht.
Diese Erzählung beinhaltet Konstellationen und Stereotypen, die sich auch in den Ideen des Konfuzianismus finden. Dabei spielt die Darstellung der verschiedenen ethnischen Gruppen eine wichtige Rolle: Der Held muss auf den Handelswegen und im Arbeitslager unter den verschiedenen Völkern Frieden herstellen. Andererseits ist er selbst ein Hunne, und seine chinesische Ehefrau lehrt Turban-tragenden Kindern die chinesische Schrift. Ganz im Sinne des Konfuzianismus sind die Völker der Seidenstraße im Film also „Wilde“, die aber durchaus zivilisiert werden können.
Konfuzianische Werte sind in der chinesischen politischen Rhetorik unterdessen wieder aufgelebt und das Verhältnis Chinas zu seiner ethnischen Vielfalt ist weiterhin schwierig.
Nun ist Dragon Blade sicher kein lupenreiner Propagandafilm. Aber ohne den Segen der Partei dürfte eine Produktion dieser Größe nicht zu realisieren sein, und angesichts der Verbindungen zwischen Chinas Wirtschaft, Medien und Politik ist auch ein Einfluss im kreativen Bereich nicht unwahrscheinlich. Ob beabsichtigt oder nicht, der Film macht es dem Zuschauer leicht, ihn als Parabel zu verstehen. Wie das amerikanische Publikum ihn auffassen wird, bleibt abzuwarten: die US-Premiere ist für den Herbst 2015 geplant.
Artikelbild: „Jackie Chan 2012 Jelgava“ von Ruslans Antropovs – Dzekijs Chans 2012-02-05 – 16.jpg. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons.
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