Wie schon im letzten Jahr dominieren auch 2014 Smog und Luftverschmutzung in regelmäßigen Abständen die Schlagzeilen chinesischer und ausländischer Zeitungen. Auch wenn die Regierung auf allen Ebenen zunehmend Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität ergreift, werden diese Versuche von verschiedenen Seiten als nicht ausreichend oder zu zaghaft angesehen. sinonerds wird sich diese Woche damit beschäftigen, wie Smog das Leben von Menschen beeinflusst.
Beijing, irgendwann im November 2013. Dongsishitiao Station: Ich fahre mit der Rolltreppe den Ausgang der U-Bahn hinauf. Während sich die Menschen an mir vorbeidrängeln, blicke ich auf meine Smog-App. Sie zeigt 370pm und berechnet die Anzahl an Zigaretten, die ich heute geraucht haben werde, wenn ich abends wieder in die U-Bahn steige.
Menschen – besonders Radfahrer – mit Atemmasken sind in chinesischen Großstädten keine Besonderheit. Doch trotz unzähliger Aufenthalte in Chinas Metropolen fällt mir heute zum ersten Mal die Vielzahl der Mundschutzträger auf. Die Straßen sind grau, die Atmosphäre bedrückt und das Husten und Keuchen der Menschen gleicht fast der Lautstärke des Straßenverkehrs.
Ich treffe mich mit einem alten Freund in Sanlitun. Josh lebt seit sechs Jahren in der Hauptstadt und fährt nur mit dem Fahrrad solange ich ihn kenne. Heute kommt er zu Fuß – seit Tagen sei er kein Fahrrad mehr gefahren, da ihm jede zusätzliche Anstrengung Kopfschmerzen bereite.
Wir setzen uns ins Bookworm, einem bekannten Treffpunkt der Beijinger Expat-Community und bestellen zwei Kaffee. Eine Kellnerin bringt mit unserer Bestellung zwei Atemmasken, auf denen „From Beijing with Love“ geschrieben steht. Sie grinst.
Im Bookworm ist die Luft erträglicher, denn in jeder Ecke stehen Luftreiniger und Ventilatoren.
Josh und ich vergleichen unsere Apps. Der Wert steht jetzt bei 372pm. Extrem, wenn man bedenkt, dass ab einem Tageswert von 50pm die Gesundheitsämter in Deutschland vor gesundheitlichen Schäden warnen.
Später laufe ich an den riesigen CCTV Towern vorbei, die durch den Smog kaum erkennbar sind.
Nach einem langen Tag und quasi 16 Zigaretten lege ich mich ins Bett. Mein Gesichtsreinigungstuch ähnelt einem Rußfilter und meine Klamotten stinken fürchterlich nach Smog. Völlig erschöpft und mit drückenden Kopfschmerzen schlafe ich ein.
Am nächsten Morgen erinnere ich mich an die Worte einer Freundin, die immer sagte, Tage wie diese seien die schlechten Tage eines Expats in China, man müsse das Gesamtbild sehen. Ich blicke aus dem Fenster und sehe nichts. Meine App zeigt 425pm.
Heute verlasse ich mein geliebtes Beijing, recht positiv gestimmt, weil ich mir sicher bin, dass es nicht mehr schlimmer werden kann. Ich steige ins Taxi, die CCTV Tower sind auch heute kaum zu erkennen.
Ich wundere mich wie, der Taxifahrer bei dieser Luft noch Kette rauchen kann. Auf meine Frage, warum er das tut, antwortet er: „Es ist die einzige gefilterte Luft, die ich atmen kann,“ lächelt selbstironisch und wünscht mir einen guten Flug.
Auch Josh hielt es nicht mehr aus und flüchtete für ein paar Tage nach Hainan.
Das Titelfoto ist von Mitsuhirato (Lizenz CC BY-SA 3.0).