Chang Tso-chis Film „Thanatos, Drunk”, der seinen Eingang in die diesjährige Berlinale fand, bietet seinem Publikum eine feinfühlige, zarte Geschichte über eine Gruppe geplagter Seelen in Taipei. Die Bildsprache des Films setzt unter anderem Tier- und Menschenkörper in metaphorischen Bezug zueinander. Yun-Hua Chen, selbst Taiwanerin, promovierte Filmkritikerin und Berlinale-Boggerin für das Goethe-Institut, beleuchtet Chang Tso-chis Werk:
Ebenso wie „Doze” Niu Chen-Zer, Regisseur von Paradise in Service, sah sich Regisseur Chang Tso-chi (张作骥) während der Dreharbeiten zu Thanatos, Drunk im Kreuzfeuer der Kritik und musste sich mit mehreren Problemen wie auch dem Rückzug von Sponsoren auseinandersetzen. Doch der gegen ihn angestrengte Prozess gehört in sein Privatleben. Er wurde der Vergewaltigung einer Drehbuchautorin beschuldigt und verurteilt, legte aber Berufung ein. Bis zum finalen Urteil darf er Taiwan nicht verlassen. Changs Darstellung von Menschen in seelischen Nöten in einer unterschwellig sexuell aufgeladenen Atmosphäre finde ich sehr viel überzeugender als die seines Kollegen Niu. Wieder einmal hat er bewiesen, mit welcher Leichtigkeit er Geschichten in präziser Filmsprache erzählen kann.
Verglichen mit seinem vorherigen Film When Love Comes (当爱来的时候), der um die Irrungen und Wirrungen einer minderjährigen Schwangeren kreist, ist Thanatos, Drunk anspruchsvoller und gewagter. Neben Changs üblicher Faszination für das Gangstermilieu behandelt der Film ein breites Spektrum an Themen wie Sexualität, Familiengefüge, Treue, Verantwortung und Schuld. Von der ersten Hälfte des Films war ich sehr angetan. Die episodenhafte Struktur unterbricht elegant die einzelnen Handlungsstränge, bevor sie sich voll entfalten können. Eine Stadtlandschaft aus heruntergekommenen Gebäuden auf einem Hügel entlang eines Flusses fungiert als visualisierter Gesellschaftskommentar und definiert die Stimmung. Eine Handkamera zeichnet intime Porträts der Akteure.
Wirklich schön ist, wie die starke Präsenz von Tieren eine Art philosophischer Metapher für die Vergänglichkeit des menschlichen Körpers und die Banalität des Todes schafft. Die „Tanzsequenz” einer Ameise mit einer Made wird mit einem Tanz der beiden männlichen Protagonisten kontrastiert. Bilder einer ertrinkenden Maus wechseln sich mit Aufnahmen von Buntbarschen ab und lassen von Anfang an die Präsenz des Totengotts Thanatos erkennen. Obwohl Xuefeng Lue (吕雪凤) nur flüchtig in Erscheinung tritt, findet sie in ihrer Rolle als unsichere, trunksüchtige Mutter eine gekonnte Balance zwischen theatralischem und bodenständigem Spiel.
Es ist wirklich schade, dass der Film in der zweiten Hälfte an Schwung verliert. Zhang experimentiert durch die Einblendung unwirklich wirkender Bild-in-Bild-Sequenzen mit Zeitebenen, doch vermag es dabei nicht, den Film zu entfesseln oder eine verschlungene, vielschichtige Zeitlichkeit zu erzeugen. Stattdessen verliert sich der Film am Ende im Chaos, als ob er von all dem auf der Leinwand konsumierten Alkohol selbst berauscht wäre.
Dieser Artikel erschien zuerst auf der Seite des Goethe-Instituts in englischer Sprache und wurde von Christiane Wagler ins Deutsche übersetzt.