Chinesische Namen für Anfänger und Fortgeschrittene – Bedeutung und Aussprache

Gestatten, Rote Armee – aber nenn’ mich ruhig Siegfried

Huawei möchte 20 Millionen in dein Startup investieren, aber auf der Pressekonferenz dazu kann niemand den Namen der Firma aussprechen? Schon wieder vergessen wie dieser Präsident heißt, dieser eine, auf Platz 5 der Liste der mächtigsten Personen? Gerade einen heißen Typen auf Tinder weggewischt, aus Angst, dass jemand fragt, wie dein Neuer heißt? Unangenehme Sache! Aber sinonerds schafft Abhilfe: es reicht, diesen Artikel zu lesen, um nicht ständig in solche Fettnäpfchen zu tappen. Außerdem klären wir die Frage, ob chinesische Namen eine Bedeutung haben.

Stellen wir uns vor, wir besuchen heute Nachmittag den chinesischen Präsidenten auf eine Tasse Tee. Doch just als unsere Limo in Zhongnanhai vorfährt, fällt uns auf, dass auf der Visitenkarte, die wir natürlich wegen der Adresse in der Hand halten, nur die drei Zeichen 习近平 stehen.

Ups, was ist der Nachname und wie spreche ich ihn aus?

Die meisten chinesischen Namen bestehen aus zwei oder drei Zeichen, wobei der Nachname zuerst genannt wird und in aller Regel aus nur einem Zeichen besteht. In der offiziellen phonetischen Umschrift, dem Hanyu Pinyin, werden Nach- und Vornamen dankenswerterweise getrennt. In der Zeitung liest man also von Xi Jinping.

Die gute Nachricht hier ist: Fast die Hälfte der Chinesen hat einen der 15 häufigsten chinesischen Nachnamen ··············高 (Lǐ Wáng Zhāng Liú Chén Yáng Zhào Huáng Zhōu Wú Xú Sūn Hú Zhū Gāo). Die zu kennen ist schon ein deutlicher Vorteil – vorausgesetzt, man weiß sie im richtigen Moment auch auszusprechen.

Glücklicherweise gibt es fünf Faustregeln, mit denen die meisten peinlichen Situationen der Vergangenheit angehören:

  1. Zh wie in Zhang spricht sich “Dsch” wie in Dschungel,
  2. Ch wie in Chen spricht sich “Tsch” wie in Champion,
  3. X wie in Xi ist ein gezischtes “Hs”, etwa wie im spanischen “si”,
  4. Y wie in Yang spricht sich wie das deutsche “J” (J wie in Jian spricht sich dagegen “Ds”),
  5. U nach J, Q, X, Y wie in Xu spricht sich Ü (für Xu also insgesamt in etwa “Hsü”).

Die letzten beiden Regeln gelten insbesondere auch für die chinesische Währung RMB oder Yuan. Auf der nächsten Cocktailparty kannst Du so getrost über Alibabas Marktwert sprechen, nämlich über eine Billion “Jüen” (200,7 Mrd. US-Dollar). Und weil wir gerade dabei sind: Jene Firma mit den Handys, die man auch hierzulande so oft in der Werbung sieht, heißen H(u)a We-i (wie engl. “way”).

Vielleicht auch ein Li?

Vielleicht auch ein Li?

Wenn Du Dir jetzt die Liste der häufigsten Namen noch einmal vorliest, hast Du gute Chancen, jede Vorstellungsrunde wie ein Experte zu meistern. Wer sich Namen durch Hören einprägt, für den ist dieses Video ideal.

Das war ja einfacher als gedacht. Kann ich jetzt Herrn Xi fragen, was sein Name bedeutet?

Einen Moment noch, vielleicht hört er Präsident Xi lieber. Chinesen verwenden im formalen Umfeld gerne akademische oder berufliche Titel. Wer sich mit guten Kollegen auf Chinesisch unterhält, spricht diese allerdings anders an, als in Deutschland üblich. Statt Herr/Frau Sowieso wird dem Nachnamen gerne ein “jung” (小) oder “alt” (老) vorangestellt. Es ist also insgesamt nicht ungewöhnlich, wenn der “junge Li” beim “Lehrer Zhang” nachfragt, ob “Chef Liu” noch da ist.

Freunde sprechen sich in meinem Freundeskreis mit ihrem vollen Namen oder ihrem Vornamen an, viele haben einen coolen Spitznamen. Meine guten Kumpels nenne ich auch “Bruder” (兄弟 oder Vorname + 哥), junge Frauen sprechen sich gegenseitig auch als kleine oder große Schwester (妹妹/姐姐) an.

Soweit so gut, jetzt können wir Präsident Xi beruhigt ansprechen. Aber nicht überrascht sein, wenn Herr Xi die Dame an seiner Seite als Frau Peng vorstellt! Denn die “Chinese First Lady” Peng Liyuan behielt, wie in China üblich, nach der Hochzeit ihren eigenen Familiennamen (Männer wechseln auch nicht). Die Kinder verheirateter Paare tragen meist den Namen des Mannes. 

Gut zu wissen. Mal nebenbei: wenn ich eine E-Mail schreibe, woher weiß ich dann ob “Herr” oder “Frau”?

Eine gute Frage! Das Geschlecht einer Person wird aus ihrem chinesischen Vornamen nicht immer ersichtlich. Das Zeichen für “Frau” 女, wie in 娟 oder 娜, ist meistens ein Indiz für einen weiblichen Vornamen. Bei anderen Namen lässt sich aus der Bedeutung auf traditionelle Geschlechterrollen schließen. Töchter sind demnach zum Beispiel schöne (美), elegante (雅) und sanfte (静) Blumen (梅, 兰, 菊) oder Phönixe (凤). Als Sohn wünschten sich manche Eltern wohl stattliche (帅) und starke (强, 力) Soldaten (军) oder Drachen (龙).

Wer kein Chinesisch kann, hat hier eher schlechte Karten, und ohne die Schriftzeichen ist auch ein Chinesisch-Ass aufgeschmissen. Im Zweifel deshalb höflich nachfragen oder, wenn es gar nicht anders geht, Gesichter zum Namen bei Google oder Facebook nachschlagen.

Interessant, aber haben meine Freunde nicht sowieso englische Vornamen?

Viele Chinesen wollen es ausländischen Freunden und Kollegen einfach machen und suchen sich einen Namen auf Englisch oder der Landessprache aus. Oft geschieht dies schon in der Schule im Fremdsprachenunterricht. “Apple”, “Summer” oder “Siegfried” stehen in solchen Fällen zwar nicht im Pass, sind aber von ihren Trägern als ernsthafte Alternative vorgesehen. Wenn Chinesen ihren ausländischen Namen benutzen, dann nennen sie ihren Nachnamen meistens am Ende. Wir können den Chef von Alibaba 马云 (Mǎ Yún) also beruhigt Jack Ma nennen.

Bei Übersee- und Hongkong-Chinesen sieht die Sache etwas anders aus. Sie besitzen möglicherweise einfach einen englischen oder zwei offizielle Vornamen.

Jack Ma bei UN Women (September 2015)

Jack Ma bei UN Women (September 2015)

Aber eigentlich wollte ich schon die ganze Zeit wissen, was die Namen bedeuten!

Kurz gesagt: ja, chinesische Namen haben meist eine Bedeutung. Wie in Deutschland ist jedoch zunächst ein hübscher Klang ausschlaggebend. Dazu kommt ein schönes Aussehen der Zeichen und positive Assoziationen, zum Beispiel Blumen oder Reichtum (富贵). Auch Wendungen klassischer Texte kommen als Namensquelle in Frage.

Es gibt jedoch noch spannendere Formen der Namensgebung. Eltern, die Wert auf Taoismus legen, können Zeichen für den Namen wählen, deren Radikale die Elemente der Persönlichkeit ihres Kindes ausgleichen. Eine “Feuer-Persönlichkeit” wird quasi durch ein Wasser-Zeichen “gelöscht”. Am deutlichsten wird das in den Zeichen 淼 (miǎo) 森 (sēn) 焱 (yàn) 鑫 (xīn) 垚 (yáo), die jeweils eins der fünf Elemente in dreifacher Ausführung enthalten.

Ich persönlich finde es besonders kreativ, wenn die Namen in der Familie zusammenhängen. Präsident Xi Jinping hat zum Beispiel einen Bruder, der Yuanping (远平) heißt. Zusammen ergeben die beiden ersten Zeichen das Gegensatzpaar nah (近) und fern (远). Andere Eltern ergänzen den Nachnamen des Vaters mit einem Vornamen, der den Nachnamen der Mutter enthält, so dass eine 刘杨娜 (Liu Yangna) nach ihren beiden Eltern 刘 (Liú) und 杨 (Yáng) benannt sein mag.

Chinesische Namen erlauben außerdem viel Spielraum bei der Benennung von Kindern nach Orten. “Yangtse-Fluss” 长江 oder “Ostchinesisches Meer” 南海 zu treffen wäre nicht ungewöhnlich, allerdings konnte ich bisher nicht herausfinden, warum.

Und wie heißt Du?

Und wie heißt Du?

Am außergewöhnlichsten finde ich Namen, die als Ausdruck einer Phrase ein Zeichen ihrer Zeit sind. Viele Festland-Chinesen mittleren Alters sind lebende Denkmäler der jüngeren Geschichte mit Namen wie “Starkes Land” 国强, “Korea unterstützen (und Amerika die Stirn bieten)” (抗美)援朝, “Rote Armee” 红军 oder “Kulturrevolution” 文革.

Solche Namen beschränken sich aber nicht auf den Kommunismus. Die Eltern von einem Mädchen names 招娣 (“herbeirufen” + (Frau +) “kleiner Bruder”) hoffen auf einen kleinen Bruder, die von 胜男 (“besser als” + “Mann”) möchten hingegen kundtun, dass ihre Tochter “besser” als ein Sohn ist. Beides sind Aussagen, die einen weit verbreiteten Wunsch nach einem männlichen Erben ausdrücken und eng im Zusammenhang mit der (abgeschafften) Ein-Kind-Politik stehen.

Es ist also wirklich spannend, bei der nächsten Tasse Tee zu fragen: “Und was bedeutet Dein Name?” Es könnte eine Exkursion zu chinesischer Poesie oder eine Geschichtsstunde folgen. Wie in Deutschland sollte aber auch klar sein, dass Namen in erster Linie Namen sind. Wenn man Jackie Chan (成龙) bei seinem (Künstler-)Namen “Drache” ruft, wird er zunächst an sich und nicht an das Fabeltier denken. Es darf also auch nicht überraschen, wenn die Antwort lautet “Nichts, ich heiße nur so.”

Namen und Anrede sind, wie so vieles, sehr abhängig von der Region. Wenn Du andere Erfahrungen gemacht hast, freue ich mich über einen Kommentar! Ansonsten: Bühne frei für einzigartige oder merkwürdige Namen, die Euch begegnet sind!

Die Bilder im Text wurden unter Creative-Commons-Lizenzen verwendet.

Titelbild von sinonerds Redaktionsteam

Smile von parkermidds via flickr: Lizenz

Jack Ma at UN Women von UN Women/Ryan Brown via flickr: Lizenz

How are you? von Jacob Mee via flickr: Lizenz

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sinonerds-Autor*in

Johannes Haupt

Als Deutschlehrer in Gansu und Austauschstudent in Shanghai und Nanjing ist Johannes viel in China herumgekommen. In seiner Freizeit ist er ein Freund von allem Digitalen und Fan des chinesischen Internets. Johannes findet Chinesisch einfach cool und möchte das Leben in China für Deutsche greifbar machen.

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