Dieser Artikel ist ein Beitrag aus unserem sinonerds Spotlight: Chinesischer Film. Auf unserer Übersichtsseite gibt es nochmal alle Artikel und Interviews zum Nachlesen, Nachschlagen oder Rumstöbern.
Hollywood versorgt uns alle mit krachender Unterhaltung. Doch wo bleiben die Blockbuster aus dem bevölkerungsreichsten Land der Welt? Geht es nach Wang Jianlin könnte China bald seine eigene Traumfabrik haben — die Oriental Movie Metropolis in Qingdao.
…und Action!
Zwar nur auf Platz 128 der Forbes-Liste ist Wang Jianlin doch immerhin Chinas reichster Mann. Nachdem er 16 Jahre in der Volksbefreiungsarmee gedient hatte, wurde er als Chairman der 1988 gegründeten Immobilienfirma Dalian Wanda zum Milliardär. Der jahrelange Handel mit Gebäuden aller Art scheint Wang jedoch nicht gesättigt zu haben, denn nun will er mehr. Genauer gesagt will er einen Filmpark in Qingdao bauen und ist bereit sich diesen Spaß 50 Mrd. Yuan (6 Mrd. Euro) kosten zu lassen.
Für die Ankündigung dieses ehrgeizigen Projekts gab Wang im September eine Gala in Qingdao, für die er auch ein paar alte Haudegen aus Hollywood wie Leonardo DiCaprio und John Travolta einfliegen ließ. Wie man es von chinesischen Bauprojekten gewohnt ist, soll auch hier nicht lange gefackelt werden: Die Eröffnung der „Oriental Movie Metropolis“, wie der Filmpark getauft wurde, ist für Juni 2017 angesetzt.
Konkurrenz für Hollywood?
Die neuen Studios und der dazugehörige Vergnügungspark sollen die Größten der Welt werden, doch haben sie das Zeug zu einer ernsthaften Konkurrenz für Hollywood zu werden? Die meisten international erfolgreichen chinesischen Filme stammen derzeit aus Hongkong und sind oft aus dem Kung-Fu Genre. Produktionen aus dem Festland schaffen es hingegen eher selten in die Kinos anderer Länder – das breite internationale Publikum ist mitnichten an die Sprache, Erzählweise und Filmtechnik chinesischer Filme gewöhnt. Idealerweise würden Qingdaos neue Studios Filme produzieren, die sich für den heimischen Markt eignen und gleichzeitig auch international einschlagen.
Der Oriental Movie Metropolis könnte dieses Kunststück gelingen, denn Dalian Wanda wird versuchen mit dem Riesenprojekt die großen amerikanischen Studios für Kooperationen an Land zu ziehen. Produzenten in den USA werden gespannt auf die Angebote warten, denn der chinesische Filmmarkt wächst – wie fast alles andere in China auch – gewaltig: Im Jahr 2012 sind Kartenverkäufe über ein Drittel gestiegen und lagen bei 2,7 Mrd. US-Dollar.
Über neue Wege in Chinas Kinos
Der Reiz des chinesischen Marktes wird besonders groß wenn man bedenkt dass China die Anzahl der ausländischen Filme in seinen Kinos streng reguliert. Momentan dürfen pro Jahr gerade einmal 34 Filme aus dem Ausland gezeigt werden, von denen zu allem Überfluss 14 im IMAX- oder 3D-Format sein müssen. Selbstverständlich unterstehen auch die zugelassenen Filme dem Gutdünken der Zensurbehörde, die es sich vorbehält heikle Dialoge oder ganze Szenen zu streichen. Der Film Cloud Atlas etwa musste letztes Jahr ganze 40 Minuten einbüßen und verlor so seinen logischen Zusammenhang.
Viele ambitionierte Filmprojekte versuchen bereits mit Tricks Chinas Hürden zu umgehen. So verlegen neuerdings große Hollywood-Filme (z.B. Looper oder James Bond: Skyfall) einen Teil ihrer Handlung und somit Dreharbeiten nach China, um so als Partnerproduktion mit China das 34-Filme-Limit zu umgehen. Über die Zusammenarbeit mit der Oriental Movie Metropolis könnten jedoch deutlich mehr Produktionen ausländischer Studios auf chinesische Kinoleinwände gelangen und so eine Menge Geld in die Kassen der beteiligten Filmemacher spülen. Praktischerweise ist Dalian Wanda bereits jetzt für eine großangelegte Vermarktung des zukünftigen Outputs ihrer Studios gut aufgestellt: Die Firma verfügt über tausende Kinoleinwände in China und besitzt seit letztem Jahr außerdem die amerikanische Kinogruppe AMC.
Boost für Chinas Image
Abzuwarten bleibt wie die Oriental Movie Metropolis das Image Chinas verändern wird. Filme sind ein mächtiges Medium für die Vermarktung eines Landes, denn sie sind ein weltweit verbreitetes Kulturgut, das sich enormer Beliebtheit erfreut. So sind sie ein Teil der „Soft Power“ eines Landes, seiner Ausstrahlungskraft und seinem Charme gegenüber anderen Ländern. Das beste Beispiel dafür ist die weltweite Verbreitung von Hollywood-Produktionen: Beinahe könnte man sagen, die berühmten Studios in Kalifornien haben etliche Fantasiewerke aus amerikanischer Herstellung bereits zu einem globalen Kulturgut gemacht. Und aus dem sind nicht nur Aliens und Superhelden hervorgegangen, sondern auch Idole und moralische Prinzipien.
„Soft Power“ ist ein Gut, das China aufgrund seiner politischen Situation zu diesem Zeitpunkt nicht in adäquater Proportion zu seinen sonstigen Ressourcen besitzt. Das Politbüro in Beijing ist sich dieser Tatsache bewusst. Es wäre daher überraschend wenn nicht auch die Kommunistische Partei versuchen würde, Nutzen aus der geplanten Metropolis zu schlagen. Filme bieten dem internationalen Publikum neue Sichtweisen auf China an. Diese mögen unterhaltsam, facettenreich oder auch schlicht leicht verdaulich sein; doch ihre wichtigste Eigenschaft ist, dass sie China in den Augen der Masse zugänglicher und besser verständlich machen. Und in ihrer Summe natürlich das Reich der Mitte in einem besseren Licht darstellen.
Open End
Angesichts des bevorstehenden Baus der Oriental Movie Metropolis bleiben viele Fragen offen: Werden Chinas neue Studios ihre eigene, ganz bestimmte Handschrift tragen? Wer wird auf diese Handschrift Einfluss nehmen? Könnten wir in zehn Jahren sagen: „was für ein typischer Metropolis-Film“, so wie wir jetzt von Produktionen aus Hollywood (oder sogar Bollywood) reden?
Bis zu diesem Zeitpunkt können wir nur eines mit Sicherheit sagen: Das neue Spielzeug von Wang Jianlin hat das Potential ein ganz großer Coup zu werden, oder aber ein noch größerer Flop.
Chinesische Entsprechungen und Pinyin der im Text verwendeten Eigennahmen:
Dalian Wanda: 万达集团 Wàn Dá jí tuán
Wang Jianlin: 王健林 Wáng Jiàn Lín[/box]