„Worum geht es in dem Film, was würdest du sagen? In einem Wort?“, fragt mich meine Begleitung. „Abschied? Vergeben?…Entwurzelung?“ Der Film “A Simple Goodbye”, für den Degena Yun auf dem Berlin Chinese Film Festival den Preis für die beste Nachwuchsregisseurin gewann, gibt konkrete Denkanstöße zu der Frage, was ‘zu Hause’ bedeutet.
Wir sind beide ein bisschen mitgenommen von „A Simple Goodbye“ (gàobié, 告別). Es ist nicht so einfach zu sagen, worum es ging. Die Handlung schlägt mehrere Richtungen ein. Die Produzentin und Regisseurin Degena Yun, die auch eine der Hauptrollen in ihrem eigenen Film spielt, hat sicher eine Portion Autobiographie in ihre Film gepackt: Es geht um eine junge Frau, die desillusioniert von ihrem Studium aus England zu ihrer Familie nach Beijing zurückkehrt; es geht um ihre Beziehung zu ihrem Exfreund und einer Internetbekanntschaft; es geht um die Beziehung zu ihrem krebskranken Vater, um seine Heimat, die innere Mongolei, darum, sich zu verabschieden, zu verzeihen. Wie die Produzentin selbst, sind die Hauptfigur und ihre Familie Mongolen, wie ihre Hauptfigur hat auch Yun in England studiert.
Im Film fesselte mich der Umgang der Figuren miteinander. Sie reden kaum miteinander und teilen sich nicht durch Worte mit. Die zurückgekehrte Tochter setzt sich an den Tisch, stochert ein bisschen im Essen herum, klebt am Smartphone und verschwindet sofort auf ihr Zimmer. So genau scheint sie nicht zu wissen, wo sie steht, wo sie zu Hause ist.
Sprache der Gefühle
Auch wenn ihre und meine Situationen sehr verschieden sind, kann ich sie verstehen. Als ich mit 16 von einem Auslandsjahr in Kanada zurück nach Deutschland kam, war mir „zu Hause“ auch fremd. Meine Eltern sind älter geworden, und ihre Fehler sind jetzt viel deutlicher zu sehen. Freundschaften, die mir früher wichtig waren, haben die Distanz nicht überlebt. Aber auch andersherum setzt der Prozess des Fremd-werden sofort ein: nach anfänglichen häufigen Nachrichten, „how is it back in Germany“, schlafen fast alle Kontakte schnell ein.
Das gleiche passiert mir immer wieder, ich gehe nach China, komme zurück, ziehe nach Berlin. Die junge Frau, die ich in “A Simple Goodbye” gesehen habe, sucht – genau wie ich, wie viele junge und alte Menschen, in Deutschland, in China und überall in der Welt – nach einem Sinn, einer Aufgabe, etwas oder jemanden, für den*die es sich lohnt, da zu bleiben.
Besonders gut gefiel mir, wie universell der Film ist. Er lässt sich ohne Probleme in meine Gefühlswelt übersetzen, und obwohl die Details der Situation der Protagonistin anders sind, als meine, kann ich sie doch verstehen. Deshalb war der Film für mich der stärkste auf dem BCFF: Nicht die Wissensvermittlung über ein bestimmtes Thema steht im Mittelpunkt, sondern eine Meinung, eine Erfahrung, die sehr persönlich ist, die sich positioniert. Sie lässt die Distanz zwischen Deutschland und China plötzlich kleiner erscheinen, als sie manchmal konstruiert wird.