Mao an die Wand geklatscht

In Hamburg setzen sich die Kunstwerke von Ni Shaofeng und Deng Huaidong mit der Kulturrevolution auseinander

Die Spuren der „großen, proletarischen Kulturrevolution“  (无产阶级文化大革命) von 1966 bis 1976 sind in China noch heute allgegenwärtig. Statuen mit abgeschlagenen Gesichtern füllen die Museen und die Kult-gewordene Propagandakunst im Stil des sozialistischen Realismus findet sich auf Tassen, T-Shirts und im Wifi-Passwort des örtlichen Restaurants wieder. Zwar wurde von offizieller Seite aus in Maßen Kritik an Maos Vorgehen geübt, eine Aufarbeitung der Kampagne, der hunderttausende Menschenleben und elementare chinesische Kulturgüter zum Opfer fielen, bleibt dagegen bis heute aus. Doch auch in Deutschland findet kaum Sensibilisierung auf diesem Gebiet statt. Zu weit scheint diese chinesische Katastrophe der Neuzeit entfernt, räumlich und zeitlich. Den 50. Jahrestag der Kulturrevolution nutzten Kritiker und Befürworter der Kulturrevolution in Deutschland deshalb, um den Diskurs neu zu entfachen.

KR-Plakat in Berlin-Kreuberg

Foto: Arseny Knaifel – KR-Plakat in Berlin-Kreuberg

Ein Teil der historischen Aufarbeitung findet dabei in der Kunst statt: die beiden Künstler Ni Shaofeng und Deng Huaidong und ihre Ausstellung Facetten des Erinnerns 眼见为实 (9.11. – 29.11.2016) in Hamburg sind ein interessantes Beispiel dafür.

Ni und Deng verarbeiten in ihrer Ausstellung nicht nur einen Teil ihre Erinnerungen an die Kulturrevolution, die sie als Kinder und Jugendliche erlebten, sondern zeigen ihre ganz persönliche Reflexion. Bildmaterial, das vollständig außerhalb der hocheffizienten Propagandamaschinerie der Kommunistischen Partei entstand, ist rar. Diesen Umstand nahmen sie sich zum Anlass, die Kult-gewordenen Propagandabilder neu zu interpretieren. Sie erreichten dies, indem sie auf ganz unterschiedliche Art die Originalbilder verzerrten und ihnen einen zum Teil schon karikaturistischen Charakter verliehen.

Bei den Werken von Ni Shaofeng handelt es sich um Malereien mit schwarzer Tusche. Bekannte Propagandabilder übertrug er auf klassisches Kalligraphie-Papier und vergrößerte sie. So besteht nun jedes der wandfüllenden Kunstwerke aus fünfzig Einzelbildern. Das Spiel der schwarz-weißen Konturen gibt den riesigen Bildern etwas flüchtiges, verschwommenes, fast als wären es Nis persönliche Erinnerungen.

Foto: Olaf Pascheit – Mit freundlicher Genehmigung von Ni Shaofeng

Foto: Olaf Pascheit – Mit freundlicher Genehmigung von Ni Shaofeng

Deng Huaidongs zerknitterte Propagandaszenen entstanden, indem er zunächst die ursprünglichen Bilder auf diverses Mauerwerk klebte und sie auf diesem Hintergrund verformte. Die abstrahierten Fotografien malte er mit Öl auf Leinwand ab und fotografierte diese wiederum. Im alten, quadratischen Format entwickelt, grobkörnig und in Graustufen wirken diese Werke wie historische Artefakte selbst.

Foto: Deng Huaidong - Die drei Stadien der Verformung - Mit freundlicher Genehmigung von Ni Shaofeng

Foto: Deng Huaidong – Die drei Stadien der Verformung – Mit freundlicher Genehmigung von Ni Shaofeng

Die Ausstellung ist vom 09. bis zum 29. November in der Barlach Halle K (Hamburg) zu sehen.

Vernissage: Mittwoch, 9.11.2016, 19:00 Uhr
(mit Prof. Dr. Kai Vogelsang und SHI Ming)
Frei für geladene Gäste.

Führung von Künstler Ni Shaofeng:
Samstag, 19.11.2016, 15:00 Uhr
Regulär: 10 €, ermäßigt 5 € (inklusive Eintritt)

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sinonerds-Autor*in

Arnaud Boehmann

Arnaud Boehmann, halb Deutscher, halb Franzose, erlebte mit zwölf Jahren in China seinen ersten Kulturschock. Der Schock ist gegangen, die Faszination geblieben. Arnaud hat Sinologie, Soziologie und Strategic Studies in Hamburg, Chengdu und Singapur studiert. In seiner Freizeit begeistert er sich für chinesische Literatur, Film und Musik, liebt Tee und Mapo Doufu. Sein Schwerpunkt liegt auf kulturellem Austausch und internationaler Militär- und Sicherheitspolitik.

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