Studienperspektiven am CATS: Im Gespräch mit Professorin Barbara Mittler

Die Uni Heidelberg bekommt 2018 ein Zentrum für Asienstudien, das neue Türen öffnen will.

Die Heidelberger Sinologie steht im Moment ganz im Zeichen des Umbruchs: Das Mammutprojekt CATS, das Centre for Asian and Transcultural Studies, zur Zeit im Bau auf dem Campus Bergheim soll die asiatischen Disziplinen – die Sinologie, Japanologie, die Kunstgeschichte Ostasiens und das Südasien-Institut – mit der Ethnologie und dem Heidelberger Centrum für Transkulturelle Studien (HCTS) ab 2018 zusammenführen. sinonerds-Autorin Clara, die gerade in der Unistadt ihren Master in ostasiatischer Kunstgeschichte und Sinologie absolviert, setzte sich mit der Heidelberger Sinologie-Professorin Barbara Mittler zusammen und sprach mit der designierten Direktorin des CATS über die Heidelberger Ideen und Ambitionen und zukünftige (asiatische)  Studienperspektiven an der renommierten Uni.

sinonerds: Frau Prof. Mittler, was ist das Centre for Asian and Transcultural Studies genau? Welcher Gedanke steckt dahinter?

Prof. Mittler: Im CATS sollen die Asienwissenschaftlich orientierten Disziplinen mit regional auf Europa ausgerichteten Fächern in den Geistes- und Sozialwissenschaften vernetzt werden. So soll gemeinsam, und basierend auf asiatischen und europäischen Materialien und Methoden, geforscht und gelehrt werden.

Was wird das CATS vor allem innerhalb Deutschlands besonders auszeichnen?

CATS erlaubt es uns, in der Zusammenarbeit unterschiedlichster Fächer, einige der drängenden Fragen und Probleme unserer zunehmend globalisierten Welten zu beantworten.  

Im CATS wird die häufig zu beobachtende Trennung zwischen den so genannten (außereuropäischen) Regionalwissenschaften und den oft fast ausschließlich mit europäischen, also westlichsprachigen Quellen arbeitenden Disziplinen aufgelöst. Ein interdisziplinärer Austausch mit den Europawissenschaften, wie er in Heidelberg seit langen Jahren (u.a. im Exzellenzcluster „Asien und Europa im Globalen Kontext“) bereits praktiziert wird, findet nur selten statt. Das CATS ist ein weiterer Schritt, um aus den „Regionen-Ghettos“ auszubrechen und so – mit einer transkulturellen Perspektive – neue, auch Regionen- und disziplinübergreifende Fragen zu bearbeiten und beantworten.

Professorin Mittler bei einer Debatte

Prof. Barbara Mittler ist die designierte Direktorin des Heidelberger CATS

Was können Sie uns bereits über das Studium am CATS verraten?

Das ist natürlich jetzt noch Zukunftsmusik. Wir wollen, neben den schon bestehenden Studiengängen in den Asienwissenschaften am CATS auch neue Studiengänge entwerfen, die Asien und Europa zusammenbringen. So planen wir z.B. Asien als Region im Lehramtsstudium einzubringen, in dem wir Zusätze anbieten, etwa indische oder chinesische Geschichte oder japanische Religion und Literatur. Ziel ist es, die Ausbildung für das Lehramt zu erweitern, so dass z.B. Geschichts-, Geographie-, Gemeinschaftskunde- oder Kunst-Lehrer auch Asien in ihrer Ausbildung kennenlernen und dieses fundierte Wissen dann einer internationalen Schülerschaft verantwortungsvoll vermitteln können.

Beim Entwurf für neue Studiengänge denken wir auch an solche, die z.B. methodisches Spezialwissen aus den Sozial- und Geisteswissenschaften mit einem Europa- UND Asien-Schwerpunkt (inklusive Sprachererwerb) verbinden und es so ermöglichen, auch neue Methoden und Zugänge zu entwickeln, man könnte zum Beispiel einen Studiengang zu „Migration Studies“ anbieten.

Es soll vor allem darum gehen, eine neue Generation von breit regional aufgestellten Geistes- und Sozialwissenschaftlern auszubilden und zu fördern, die sich kritisch nicht nur mit europäisch-sprachigen, sondern auch mit asiatischen Quellen auseinandersetzen können.

Wie sieht das dann für die Sino-Studenten im Master oder Ph.D aus?  

Es werden die bereits etablierten Studiengänge und Graduiertenprogramme (etwa das Graduate Program in Transcultural Studies am HCTS) weiterlaufen. Am CATS soll es außerdem eine Handvoll Junior Research Groups geben, mit jeweils 2 Doktorandenstellen, angeleitet von einem Postdoc, die z.B. das Unterrichtsangebot der Institute erweitern.

Es soll auch ein Gastprofessoren-Programm am CATS geben, zu dem Heidelberger Wissenschaftler andere Wissenschaftler, mit denen sie Forschungsinteressen teilen, einladen können. Diese Dozenten sind dann für ein paar Monate für bestimmte Projekte als Ansprechpartner vor Ort, was natürlich allen Studenten im “Trickle-Down-Effekt,” in Workshops und Vortragsveranstaltungen sowie spezifische Beratung die Möglichkeit zum Austausch anbietet. So kann und soll die Heidelberger Wissenschaftslandschaft auch noch weiter von außen bereichert werden.

Können Sie schon etwas über die große Bibliothek des CATS sagen? Sie soll ja „Europas größte Asienbibliothek“ sein…

So ganz stimmt das nicht, zumal wir ja auch nicht ein Asienzentrum, sondern ein Asien- UND Europazentrum sein werden. Asienzentren gibt es viele – man denke nur an die SOAS (School of Oriental and African Studies der University of London), die auch nicht nur ein paar Bücher mehr besitzt als wir! Was unsere Bibliothek aber besonders macht ist ihre Hybridität. Wir waren z. B. eine der ersten Sinologie-Bibliotheken, die Filme gesammelt hat. Wir halten auch eine riesige Sammlung historischer Zeitungen und Zeitschriften vor und eine Musiksammlung aus Partituren, Aufnahmen und vielem mehr.

Außerdem haben wir eine große Propagandapostersammlung, und wir haben ein digitales Archiv erstellt (DACHS Digital Archive in Chinese Studies), in dem interessante Orte und Momente aus dem chinesischen Internet aufbewahrt werden. Vieles, was wir  davon ist auch bereits digital vorhanden oder wird gerade digitalisiert, aber trotzdem stellen wir das echte Material auch weiter zur Verfügung. Denn in Heidelberg haben wir zwei große Interessenfelder: einerseits die Digital Humanities, und andererseits die Materialitätsforschung.

Ein Beispiel hierzu: Eine der gesammelten Zeitschriften aus unserem Datenbankprojekt zur späten Qing und der Republikzeit ist die Linglong (玲瓏), die man bei uns online auf dem großen Bildschirm lesen kann. Um aber zu verstehen, wie diese Zeitschrift in den 30er Jahren wirklich „funktioniert“ hat, muss man sie „in echt“ sehen: denn sie ist so klein, dass sie in eine schicke Frauenhandtasche passt. Die digitale Ausgabe, andererseits hat dann auch wieder den Vorteil, dass man auch all das mit zeigen kann, was in vielen materiellen Ausgaben vielleicht gar nicht mehr vorhanden ist: Werbebeilagen zum Beispiel, die oft in den Bibliotheken nicht aufgehoben werden. So etwas kann aber wichtig sein, wenn man die Geschichte dieser Zeit rekonstruieren will und so zum Beispiel erschließen kann, wieviel ein paar Strümpfe im Jahre 1932 gekostet hat.

Kornmarkt in Heidelberg

Die traditionsreiche Heidelberger Uni hat große Ambitionen in der China-Forschung

Was sind die Herausforderungen, die dem CATS noch bevorstehen?

Wir sind gespannt, wie wir alle und die vielen Studenten unterschiedlichster Fachrichtungen im neuen Gebäude zusammenfinden werden, ob die Idee des „Kollaboratoriums“, also des gemeinsamen Raums für ganz unterschiedliche Fach- und Regionalkulturen, funktioniert. Und schließlich ist auch die Finanzierung noch ein großes Thema: Da unsere Institute einen Teil der Kosten für die Renovierung der alten Gebäude tragen, die den Neubau umranden, hoffen wir hier auf einen Großsponsor.

Gab es schon Reaktionen auf die Entwicklung des CATS in Heidelberg?

CATS ist ein Modell, das Schule macht: vielerorts wird die Idee, das Studium Asiens in den globalen Kontext einzubinden, aufgenommen. Bis jetzt blieben solche Projekte aber noch auf innerasiatische Vernetzungen beschränkt (etwa in Programmen in Hong Kong und Singapur).

sinonerds bedankt sich für das Gespräch!

Photo credits: Titelbild © Jasmin Oertel für sinonerds, Portrait von Prof. Mittler © Barbara Mittler. Bild “Heidelberg” von barnyz über flickr (Lizenz CC BY-NC-ND 2.0).

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sinonerds-Autor*in

Clara Tang

Clara Tang ist Urberlinerin, Hashtagliebhaberin und Bastelfreak. Die Kunstgeschichtsstudentin ist Sinologin im Herzen und träumt von ihrem nächsten Chinaabenteuer. Am glücklichsten ist sie mit gutem Kugelschreiber, einer weißen Seite und zu vielen Ideen.

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