Delikatesse, Medizin, Pelzlieferant – aber selten der “beste Freund des Menschen”. Das Tierbild in China unterscheidet sich noch immer sehr von unserer westlichen Auffassung. Doch auch im Reich der Mitte kommt der Tierschutz langsam an.
Es sind erschreckende Bilder. Die Angst steht dem Bären in die schwarzen Kulleraugen geschrieben, die Menge um ihn klatscht. In wenigen Augenblicken wird ihm bei lebendigem Leib das Fell abgezogen – ein vermeintlich wichtiger Schritt, um die wertvolle Bärengalle, ein Arzneimittel der Traditionellen Chinesischen Medizin, zu gewinnen. Tierschutzorganisationen, die solche Videos online stellen, warnen vor dem Abspielen mit eindeutigen Hinweisen: “Für Kinder oder zarte Seelen sind die nachfolgenden Bilder nicht geeignet.”
Dabei ist das Video vom Bären auf dem Markt kein Einzelfall. Bären, die lebendig gehäutet werden, Nerze, die auf chinesischen Pelzfarmen vor sich hinvegetieren, Hunde und Katzen, die auf dem Markt auf ihren Verkauf warten – um dann geschlachtet und gekocht zu werden.
Es sind zwei Gründe, die hinter der grausamen Tierindustrie Chinas stecken: Tatsächlich gilt Hundefleisch als Delikatesse und Potenzmittel; seit Jahrtausenden schwören Feinschmecker darauf (doch Vorsicht – dies bedeutet nicht, dass man als China-Reisender Angst haben muss, dass einem Hund “untergejubelt” wird. Dafür ist es eben viel zu “wertvoll”!) Darüber hinaus zählt China weltweit zu den größten, aber auch mitleidlosesten Pelztierlieferanten.
“Millionen Hunde und Katzen werden in China totgeknüppelt, ausgeblutet und mit Drahtschlingen erdrosselt, um aus ihrem Fell Pelzbesätze und Firlefanz zu machen”, schreibt die Tierschutzorganisation PETA auf ihrer Internetseite. Bis zu 1.000 Tiere lade man auf einen einzigen LKW, Käfige mit lebenden Tieren würden gewöhnlich beim Entladen einfach von ganz oben vom LKW drei bis vier Meter nach unten geworfen, “wobei Tieren die Beine brechen, wenn der Käfig so hart auf den Boden aufschlägt”.
Wie viele Tiere von solch grausamen Praktiken betroffen sind und Jahr für Jahr sterben, bei dieser Frage gehen die Schätzungen weit auseinander.
Fest steht jedoch: Inmitten dieser Gräueltaten gibt es immer öfter Bestrebungen, sich für den Tierschutz in China einzusetzen. Aktivisten des International Fund for Animal Walfare (IFAW) etwa machen immer wieder mit spektakulären Tierbefreiungsaktionen Schlagzeilen; sie haben vergangenes Jahr zwei Transporte mit insgesamt mehr als 2200 Hunden befreit. “Auch wenn der Verkauf und Erwerb von Hundefleisch an sich legal ist, werden in der Praxis sehr oft illegale Methoden angewandt”, erklärte der IFAW damals. “Dem chinesischen Gesetz zufolge muss jedes Tier, das zur Schlachtung transportiert wird, ein eigenes Gesundheitszertifikat haben. (…) Genau wie jede andere offizielle Bescheinigung können jedoch auch Gesundheitszertifikate gefälscht werden und Hundehändler kaufen sehr oft gefälschte Zertifikate oder stellen sie selbst her.” Das Bewusstsein für diese Praktik zu schärfen ist eines der Hauptanliegen der Organisation.
Die Animals Asia Foundation (AAF) übernimmt bei den Tierschutzorganisationen in China so etwas wie eine Vorreiterrolle: Sie veranstaltete bereits vor acht Jahren das erste Symposium zur Haustierhaltung in China. An der bahnbrechenden Veranstaltung nahmen 32 Gruppen aus dem ganzen Land teil, um sich über die vielen Probleme auszutauschen, nach Lösungen zu suchen mit einer geeinten Stimme Forderungen zu erheben. Einer der größten Erfolge der AAF: ein verändertes Bewusstsein für Bärengalle. Auf Drängen der Organisation bestätigten unzählige Ärzte der Traditionellen Medizin bereits, dass es mehr als 54 preiswerte und effektive Alternativen gibt. Das Staatliche Forstamt schließt seither verschiedene Bärenfarmen, auf denen die Tiere bisher ein qualvolles Ende gefunden haben. “Als einflussreiche Mitglieder des Chinesischen Nationalen Beratenden Volkskongresses (NPCC) die Rettungsstation der Bären besuchten, konnte sie Animal Asia Foundation durch zahlreiche Studien überzeugen”, schreibt die Organisation in einer Pressemitteilung. “Die Politiker versprachen Unterstützung.”
Auch die chinesische Regierung versucht brutalen Jagdpraktiken neuerdings gegenzusteuern. Insgesamt 420 Tierarten werden in China seit Ende April als gefährdet oder vom Aussterben bedroht eingestuft. Die Liste umfasst beispielsweise Arten wie Riesenpandas, Goldaffen, Schwarzbären, oder Schuppentiere. Für den Verzehr dieser Tiere können ab sofort Gefängnisstrafen von bis zu zehn Jahren verhängt werden. Bis zu drei Jahre Haft könnten Käufern illegal gejagter Tiere drohen, wenn sie von der gesetzeswidrigen Jagd wussten.
Und die neuen Gesetze scheinen bereits Erfolg zu haben: Laut WWF Hong Kong ist die Haifischflossen-Wiederausfuhr von Hongkong nach Festland-China im letzten Jahr ungewöhnlich stark gesunken. Erstmals seit 2010 hat das Nachbarland Vietnam China als Spitzenreiter der größten Wiederausfuhr-Märkte Hongkongs abgelöst.
China befindet sich “nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht im Umbruch, sondern auch in Bezug auf die Einstellung zum Umwelt- und Tierschutz”, schrieb Ingeborg Livaditis, Vorsitzende der Tierversuchsgegner Baden-Württemberg bereits vor acht Jahren. “Das Umweltbewusstsein und der Tierschutzgedanke wächst wie überall auf der Welt mit dem Wohlstand. Wenn man nicht mehr um die tägliche Existenz kämpfen muss, hat man mehr Interesse und Zeit, sich um einen humaneren Umgang mit Tieren und mit der Natur zu kümmern”, steht in ihrem Artikel, der 2006 in der Zeitschrift “Tierschutz Aktuell” (04/2006) erschienen ist.
Das zeigt sich auch an unserem eigenen Beispiel – denn natürlich haben auch die Deutschen noch nicht immer von ihrem “besten Freund” gesprochen, wenn es um den Hund ging, dem sie heute sogar Weihnachts- und Geburtstagsgeschenke machen. Auch bei uns in Deutschland wurden einst Hunde verspeist, noch im vergangenen Jahrhundert. Inzwischen darf man Hunde nicht mehr schlachten – seit 1986.
Eine Entwicklung, deren Beginn man auch im Reich der Mitte beobachten kann: Vielerorts entstehen Haustier-Clubs, erste nationale Tierschutzvereine und Tierheime wurden gegründet, ebenso Hotlines für die Vermittlung von herrenlosen Hunden und Katzen. Offiziellen Statistiken zufolge leben in Chinas Wohnstuben bereits mehr als 150 Millionen von „Streichelhunden“ – nicht als Fraß oder Pelzlieferant, sondern als Freund des Menschen. Eine Entwicklung, die Grund zur Hoffnung gibt, jedoch gleichzeitig neue Probleme mit sich bringt: Denn da es in China noch keine großen Erfahrungen mit Haustieren gibt und dies eine relativ „moderne“ Entwicklung ist, entstehen hier zum Teil durch Unwissenheit neue Tierquälereien.
Wer mehr zu dem Thema Tierschutz in China wissen möchte, findet unter anderem hier interessante Beiträge dazu:
- http://www.tierrechte-bw.de/index.php/tierschutz-und-politik/tierschutz-international/228-china-im-aufbruch-auch-im-tierschutz-64910440
- http://www.zeit.de/2013/36/political-animals-china-hund
- http://www.tierhilfe-kowaneu.com/die-wahrheit/china-asien/ (Achtung – sehr grausame Bilder)