Was haben Horror, Splatter, Sci-Fi und Major Tom gemeinsam?
Fruit Chans bekanntester Film dürfte Dumplings sein, mit Bai Ling in der Hauptrolle, dessen Story an eine chinesische Version von Sweeney Todd erinnert. Mit The Midnight After hat der Regisseur aus Guangzhou einen weiteren Horrorfilm der besonderen Art gedreht. Horrorfilm ist hierbei als Beschreibung nicht ausreichend – Chan gibt dem Ganzen auch Elemente aus Sci-Fi und Endzeitstimmung mit einer Prise Splatter hinzu und nimmt zugleich selbstironisch die Hong Konger Gruselfilmszene auf die Schippe.
Mit rasanten Schnitten wird das Nachtleben von Hong Kong gezeigt; Mah-Jong-Spieler zocken mit qualmenden Zigaretten in einer Klitsche unter fahlgelben Neonlichtröhren, ein Junkie zieht sich in einer dunklen Gasse ein Päckchen Koks nach dem anderen rein und Normalbürger begeben nach einem langen Arbeitstag im urbanen Gewimmel nach Hause. Eine Gruppe von verschiedenen Menschen trifft sich im Minibus, der sie nach Taipo bringen soll. Bald stellen sie fest, dass die Straßen um sie herum menschenleer sind. Als einige von ihnen von einer tödlichen Infektion befallen werden, gibt es erst recht Grund zur Beunruhigung. Die Verbliebenen treffen sich in einem leeren Restaurant und besprechen, was zu tun ist. Ein rätselhafter Anruf mit Morsezeichen könnte der Schlüssel sein. Und dann sind da noch die merkwürdigen Visionen von Chi, in der die stille Yuki eine dämonische Aura besitzt…
Die Charaktere stehen für ein buntes Hong Kong: Da ist der schnoddrige, kettenrauchende Busfahrer, der die sympathische Ausstrahlung eines Kreuzberger Kneipenbesitzers hat; eine selbsternannte Weltuntergangs-Prophetin, die nebenbei Versicherungen verkauft; der smarte IT-Typ, dessen Kombinationsfähigkeiten und Technikkenntnisse später sehr wichtig werden und der introvertierte Musikfan mit einer Haarmatte und Retro-Pilotenbrille, der im Laufe des Films als David Bowie-Double brilliert. Dies sind nur einige Mitglieder der schrägen Truppe. Obwohl sich die Situation immer mehr zuspitzt, wird vor allem eine Intention des Filmemachers deutlich: Alles bloß nicht zu ernst nehmen. Als die Buspassagiere beispielsweise darüber debattieren, wie sie weiter vorgehen sollen, bemerkt einer, dass sich die Gruppe niemals trennen dürfe. In Horrorfilmen stürben schließlich immer diejenigen zuerst, die sich vom Trupp entfernen. In einer anderen Situation haben sie erhebliche Kommunikationsschwierigkeiten mit einem Japaner. Dieser sagt nur „Google“ – ein Wort, das durch den globalen Siegeszug des Internets fast jeder kennt – und sie unterhalten sich über Google-Translate auf dem Smartphone. Einen Seitenhieb auf die Sprachpolitik gibt es, als Chi empfohlen wird, lieber in Mandarin mit seinem Handy-Übersetzer zu sprechen, weil dieses mit Kantonesisch schlecht zurecht käme.
Neben den immer wieder reingeworfenen, ironisch selbstkommentierten Sprüchen, die den dramatischsten Situationen etwas Absurd-Komisches verleihen, ist der Handlungsstrang immer wieder überraschend, da sich der Film der Logik irgendeines Genres verweigert. Das macht The Midnight After zu einem hochunterhaltsamen Kinoerlebnis, in dem der Regisseur gekonnt scheinbar nicht zusammenfügbare Themen vereinen konnte. Nach einem Film, der die Welt verändern oder tief-philosophische Ansichten vermitteln möchte, klingt das alles sicher nicht. Dennoch gibt es eine gesellschaftskritische Komponente, die an dieser Stelle aber nicht verraten wird.
The Midnight After ist eine fulminante Spielerei, bei der man das Vergnügen des Filmemachers in jeder Minute spürt. Sehenswert für alle, die sich an diesem kreativen Potpourri erfreuen können und es dabei mit Genregrenzen nicht so streng sehen.