„Weiwei kommt aus Peking und studiert hier deutsche Literatur“, stellt unser fiktiver Wirtschaftssinologie-Student Sebastian seine Begleitung vor. Einige im Raum tauschen unverhohlen skeptische Blicke aus. Weiwei ist seine dritte chinesische Freundin. “Klassischer Fall von Yellow Fever“, gluckst ein Kommilitone von Sebastian seiner Bekannten zu.
Westliche Männer, die asiatische Partnerinnen haben, sind heute auch in Deutschland kein unbekanntes Bild. Doch während Frauen wie Männer bestimmte Vorlieben ungeniert als „ihren Typ“ deklarieren können, steht das sogenannte “Yellow Fever” – ein besonders kruder Begriff – viel eher für eine sonderbare bis unangenehme Verhaltenseigenart. Was macht den Unterschied aus?
Diese Frage stellt sich auch Sebastian, der die skeptischen Blicke mitbekommen hat. Er ist damit nicht allein, denn wer einmal (vor allem wiederholt) in der klischeebehafteten Konstellation „weißer Mann, asiatische Frau“ eingeordnet ist, kommt oft nicht um sie herum. Das behaupte ich zumindest, da ich wohl ebenso in dieses Raster falle. Ich unterhielt mich als Vorbereitung für diesen Artikel mit einer Handvoll von Bekannten, die in einer ähnlichen Situation stecken, und keiner hat sich nicht zumindest ein bisschen über diesen „auffälligen“ Umstand Gedanken gemacht. Bestätigen wir damit einen Stereotyp, werden wir unbewusst zu Creeps?
One size fits none
Die Skepsis ist nicht ganz unbegründet. Um mal zu rekapitulieren: Nicht selten werden asiatische Frauen im westlichen Mainstream als hocherotisierte exotische Kung-Fu-Dominas oder unterwürfige Sex-Kittens gezeichnet. Diese bizarren Bilder, die vielleicht mal als unglückliche Vorurteile in den Medien ihren Anfang fanden, haben sich bereits ins reale Leben übertragen: Man denke nur an Sextourismus in Asien, oder die vielen geschmacklosen Kommentare, die sich asiatische Frauen in Clubs oder auf der Straße anhören müssen. Nennen wir das Kind doch einfach beim Namen: Es gibt Typen mit einem regelrechten Fetisch für Asiatinnen. Und einige davon leben ihn auf eine Art und Weise aus, die den Menschen in ihrer Umgebung ganz schön unangenehm werden kann.
Sebastian kennt das alles natürlich auch, und er bleibt nicht unberührt davon. Er hat die Blicke auf der Party nicht einfach nur wahrgenommen, sie waren ihm auch unangenehm. Er ist frisch verliebt und fühlt sich nun in die absurde Situation gedrängt, sich für seine neue Freundin rechtfertigen zu müssen. Noch viel mehr bangt er darum, was das bei Weiwei auslöst. Sie bekommt das nämlich auch mit. Da solche Stereotype hartnäckig sind, fand er sich schon mit seiner Ex-Freundin oft in Diskussionen darüber wieder, ob er sie nur aufgrund ihrer asiatischen Herkunft mochte.
Dabei gibt es so viele Gründe, sich zu verlieben. Zahllose Austauschstudenten (im Übrigen auch Studentinnen) lernen in China oder Taiwan auf völlig natürliche Weise Menschen aus dem Land kennen, mit denen sie eine Beziehung eingehen. Die Neugierde für die andere Kultur spielt da sicherlich eine Rolle; sie pauschal als Beweismittel gegen echte Gefühle für die Person einzuordnen, ist hingegen nicht fair.
Ein Paar = zwei Menschen
In Leipzig paukt währenddessen ein China-begeisterter Single Hanzi, hört chinesische Indie-Bands oder scrollt durch spannende Artikel auf WeChat. Auf der Suche nach einer Freundin ist es ihm wichtig, dass sie mit seiner Leidenschaft etwas anfangen kann. Auf der Silvesterparty seiner Freunde trifft er eine Chinesin, die auch auf seine Lieblingsband steht. Es funkt, es wird mehr daraus. Er denkt darüber nach, nochmal für ein paar Jahre nach China zu gehen, sie findet das super. Zusammen wollen sie dort die angesagtesten Festivals des Landes abklappern. Heißt das schon, dass er ein bisschen arg in China vernarrt ist? Mag sein, aber das mit der Liebe ist ja auch eine emotionale Angelegenheit. Rechtfertigt die Story vorwurfsvolle Blicke? Wohl kaum.
Es geht mir hier nicht darum, sich über das Leben als weißer Mann zu beklagen. Dieser “Stereotyp zweiten Grades” betrifft ein Paar, zwei Menschen, und asiatische Frauen leiden nicht weniger unter der unterwürfigen Rolle, die ihnen im Konzept von Yellow Fever zugeschrieben wird. Beim Einkaufen oder beim Arzt wird Sebastian beispielsweise oft als “der Ansprechpartner” gesehen. Viele nehmen an, dass Weiweis Familie kein Geld hat, dass sie bloß nach einem Visum aus sei. Noch mehr ins Mark geht es, wenn ihr etwa vorgeworfen wird, mit Sebastian als Europäer eine Art soziales Upgrade ergattert zu haben. Selbst wenn sie in Deutschland geboren und aufgewachsen wäre – in dieser Schublade ist immer Platz für zwei.
Die Erzählung von Sebastian und Weiwei ist natürlich ein erfundenes Szenario. Nach ähnlichen Geschichten muss man allerdings nicht lange suchen. Die Frage ist, ob bei diesen Paaren das asiatische Äußere oder die Herkunft der Frau überhaupt eine primäre Rolle spielen. Ist sie vielleicht nicht mehr und nicht weniger als der erste Zugangspunkt, der erste Impuls, der zu aufrichtiger Liebe zwischen zwei Menschen führt, die auf ihren ganz individuellen Persönlichkeiten aufbaut? Oder haben wir hier tatsächlich einen jener Männer vor uns, die ihre asiatische Freundin auf eine durch Stereotypen und Fantasien verzerrte Interpretation ihrer Person reduzieren? Selbst wenn Sebastian zu dem Schluss kommt, dass seine vergangenen Beziehungen nicht nur purer Zufall waren, bedeutet das noch lange nicht, dass er sich zu letzterem bekennen muss.
Mit schnellen Yellow-Fever-Urteilen sollten wir uns zurückhalten, denn oft steckt eben mehr dahinter, als ein plumper Asiatinnen-Fetisch. Wir sollten auch nicht vergessen, dass es immer noch um echte Menschen geht, um Paare, die viel in ihre Beziehung reinstecken und es beide als verletzend empfinden können, in die Schublade „dominanter Weißer Daddy, unterwürfiges asiatisches Sex-Kitten“ gesteckt zu werden.
Die Beziehungen auf unserer Welt werden immer vielfältiger und Varianten dieses Problems sind gewiss nicht nur auf asiatisch-westliche Paare beschränkt. Viele Leute wie Sebastian widerlegen Stereotype und sollten nicht zu ihrer Festigung herangezogen werden. Wie heißt es so schön: Liebe kennt keine Grenzen.
Photo credits:
“Jacey & Baisen Wedding” by dcmaster” and Urban Love” by InertiaCreeps via flickr shared under a Creative Commons licence (BY-NC).