Mit 16 Jahren zog es Chao Te-yin (趙德胤) alias Midi Z aus seinem Geburtsland Myanmar nach Taiwan, wo er 2011 die taiwanische Staatsbürgerschaft annahm. Bekannt ist er durch diverse Dokumentar- und Spielfilme wie „Ice Poison“(2014) oder „Jade Miners“ (2015), die unter anderem auf den Filmfestspielen in Venedig, Rotterdam und Busan liefen. Sein letzter Film „The Road to Mandalay“ gewann 2016 internationale Preise. Auf der 68. Berlinale 2018 stellte er nun sein neuestes Werk vor: Den Dokumentarfilm „14 Apples“.
Die Geschichte ist zeitlos und könnte überall spielen: Der Geschäftsmann Shin-hong leidet an Schlaflosigkeit. Seine Mutter wendet sich an einen traditionellen Wahrsager, der ihn anweist, 14 Äpfel zu kaufen und damit in ein Kloster zu gehen. Dort soll er für zwei Wochen als Mönch leben und jeden Tag einen Apfel essen.
Mit der Kamera auf dem Beifahrersitz gedreht setzt der Dokumentarfilm auf dem Markt irgendwo in Myanmar ein, auf dem Shin-hong die Äpfel kauft. Die Reise zum Kloster führt querfeldein durch eine weite Landschaft, teilweise ohne befestigte Straßen, und ist an sich schon ein kleines Abenteuer. Statt Meditation und Kontemplation erlebt Shin-hong im Kloster Diskussionen über die Finanzlage der Mönche. Diese ist abhängig von der Spendenbereitschaft der lokalen Bevölkerung, die gemessen an ihren ärmlichen Verhältnissen großzügige Almosen verteilen.
Zur Ruhe kommt Shin-hon auch nicht, weil er im Handumdrehen zu einer anerkannten Autorität bei den Dorfbewohnern wird, die ihn regelmäßig um Ratschläge ersuchen. Den Fragenden geht es nicht um Karma oder andere buddhistischen Tugenden, sondern um ausgesprochen weltliche Anliegen wie die Höhe von Gehältern und die Arbeitsbedingungen für burmesische Wanderarbeiter in China. Und schleichend stellt sich die Frage: vielleicht gibt es gar nicht so viele Unterschiede zwischen Stadt und Land, Laien und Buddhisten?
Soweit klingt es nach hervorragenden Rahmenbedingungen für einen spannenden Film. Bei der Weltpremiere am 19.2.2018 auf der Berlinale erzählte Regisseur Midi Z, dass der Film „eher zufällig“ entstanden sei und das Filmteam im Grunde nur aus ihm selbst als Kameramann und seinem Freund Shin-hong bestand. Nun müssen mit minimalistischen Mitteln gedrehte Filme nicht notgedrungen schlecht ausfallen. Aber leider ist es 14 Apples nicht gelungen, die Komplexität der angeschnittenen Themen aufzuarbeiten; vielmehr machen sich die beschränkten Möglichkeiten zum Nachteil des Filmes bemerkbar.
Midi Z streifte selber auch die Mönchskutte über und konnte daher Shin-hong aus nächster Nähe begleiten, was allerdings die Kameraführung einschränkt: unvorhersehbare Ereignisse können nur in einer Aufnahme und aus einer Perspektive gezeigt werden. Das ist beispielsweise in der anfänglichen Marktszene bedauerlich, die auf die Beifahrer-Perspektive beschränkt bleibt, während man gerade als jemand, der mit Myanmar nicht vertraut ist, gerne mehr von der Umgebung gesehen hätte. Der Blick aus den vorderen Autofenstern setzt sich während der Fahrt größtenteils fort und man atmet mit der Ankunft im Dorf innerlich auf, als sich der Blick mit dem Aussteigen endlich weitet.
Auch im weiteren Geschehen bleibt die Kamera nah an ihrem Protagonisten, manchmal zu nah, wenn man etwa minutenlang die Mönchen bei deren Bittgang um Almosen begleitet. Die Langatmigkeit und keine erkenntliche Entwicklung der Handlung ist die zweite Schwachstelle des Filmes, welche die Geduld des Zuschauers auf die Probe stellt. Ein klarer, strukturierter Erzählstrang und mehr Dynamik wären wünschenswert gewesen.
Hinzu kommt Shin-Hongs Wortkargheit, die das Publikum raten lässt, was er eigentlich vom gelebten Buddhismus hält. Bis zum Schluss weiß man nicht, ob und welche Art von Veränderung Shin-hong während seines Aufenthalts erlebt.
Was dem Film dennoch gelingt, ist ein Panorama vom ländlichen Myanmar mit kleinen, aber feinen Details. Es werden viele interessante Themen angeschnitten, wie die Abwanderung von ländlichen Bewohnern in die Goldminen oder ins Ausland, ohne allerdings die weiteren Umstände auszuführen. In diesem Sinne bietet der Film Anregungen, sich mehr mit myanmarischen Lebenswelten auseinanderzusetzen.
Genauso ist Midi Z stets respektvoll und enthält sich jeder Wertung, was sicherlich half, um eine Vertrauensbasis mit den Dorfbewohnern aufbauen, die sonst nicht so offen vor der Kamera gesprochen hätten. 14 Apples ist ein besonderer Film aus einem Land, von dem man cineastisch noch nicht viel gesehen hat und schon allein wegen der intimen Einblicke sehenswert. Allerdings sollte man wackelige (Kamera-)Einstellungen aushalten können und eine Portion Gelassenheit mitbringen.