Ging es vor drei Jahren noch um Krustentiere, widmet sich Eric Khoos Beitrag für die diesjährige Berlinale den Geheimnissen einer guten Brühe. Wie beim letzten Mal strickt er die Leidenschaft für das Kochen und Essen eng mit einer Familiengeschichte zusammen.
Wenn so manch einer während der Berlinale vor dem Kinosaal einem*r Zuschauer*in begegnet ist, der*die weinend von scharfer Chilikrabbe oder deliziösen Nudelsuppen erzählte, dann gibt es nichts zu rätseln: Diese glückliche Person war gerade im Film von Eric Khoo. Der Filmemacher, der als Wiederbeleber des singapurischen Kinos gilt, erzählt gerne von kulinarischen Köstlichkeiten aus seinem Heimatland und hat ein Talent dafür, diese auf der Leinwand mit einer Familiengeschichte zu verweben, die zumeist von Geschichts- und Generationskonflikten geprägt ist.
Auf der diesjährigen Berlinale geht es in Khoos Werk “Ramen Teh” um Masato, der bei seinem distanzierten Vater, einem begnadeten Ramen-Koch, im Restaurant in der beschaulichen Stadt Takasaki arbeitet. Nachdem dieser plötzlich an einem Herzinfarkt stirbt, findet Masato in seinem Nachlass alte Familienfotos und ein chinesisches Tagebuch seiner früh verstorbenen Mutter, die aus Singapur kam und auch schon als Köchin gearbeitet hatte. Zerrissen zwischen vagen Kindheitserinnerungen aus der südostasiatischen Metropole und seinem öden Leben in Japan, macht sich Masato kurzerhand auf die Suche nach der lang vergessenen Familie mütterlicherseits. Das intensive Geschmackserlebnis von Nudelsuppen und Schweinefleischbrühe, tief in seinem Gedächtnis verankert, dient ihm dabei als Kompass.
Dabei begegnet er Köchen auf Weltklasse-Niveau (z.B. dem leibhaftigen Keisuke Takeda des gleichnamigen Edelrestaurants, der sich im Film selbst spielt), sucht auf singapurischen Wochenmärkten nach Gewürzen und probiert sich einmal quer durch die berühmt-berüchtigten Hawker-Stände des Stadtstaats. Schließlich findet Masato nicht nur seine von der brutalen japanischen Besetzung Singapurs auseinander gerissene Familie, sondern vor allem auch ein ganz persönliches, kulinarisches Erbe: es erzählt von Versöhnung einer Familie, Geschichte und Geschmacksrichtungen (japanische Ramen + singapurische Schweinerippchen-Suppe Bak Kut Teh = Ramen Teh).
Wie auch in seinem letzten Berlinale Beitrag “Wanton Mee” von 2015 macht sich Khoo die eigenständige Dynamik zwischen den Akteuren im Film zu eigen. Die lockeren Dialoge, die selbstverständlich beim Kochen oder im Restaurant stattfinden, klingen genauso echt wie Gespräche um Familie oder Essen es eben sein können – und das in einem verbalen Mix aus Japanisch, Chinesisch, und Englisch (das herrliche Singlisch lässt jedem sinonerd das Herz aufgehen).
Gleichzeitig ist Khoos Kunst, das Streetfood in Singapur so schmackhaft durch Sound und Bild darzustellen, nur schwer in Worte zu fassen. Zwischen glänzend-seidenen Ramennudeln, saftig gekochtem Schweinefleisch und riesigen, brodelnden Suppentöpfen bekommt jeder Foodie Herzrasen und kribbelnde Finger. Das Geräusch von Nudel-schlürfenden Mündern begleitet dabei die gesamte Erzählung und macht klar: So nah und nicht weiter kann man den Kochkünsten der asiatischen Genuss- und Fressmetropole auf der Leinwand kommen.
Auch wenn einige Szenen durch musikalische Begleitung bis zum Kitsch überspitzt werden, bleibt die Geschichte der Überbrückung der Unterschiede zwischen Kulturen und Generationen bis zum Ende rührend. Es gibt eben doch nichts, was so sehr verbindet wie ein gemeinsames, köstliches und transkulturelles Mahl. Oder anders gesagt: All Nations, under Food.