Jasmin hat den Schritt gewagt und ihr Masterstudium in Taipeh absolviert. Im Rückblick berichtet sie über ihren Unialltag, verrät ihre liebsten To-Dos für die taiwanische Hauptstadt und warum sie jedem ein Studium dort weiterempfehlen würde.
Es fühlt sich an wie gestern. An einem regnerischen Abend im Herbst 2016 kam ich in Taipei an. Ich saß im Flughafen-Shuttlebus Richtung Stadt und draußen am Fenster zogen verschwommene Scheinwerfer, dunkle Regenwälder, moderne Hochhäuser und rostende Wellblechhütten an mir vorbei. Den ganzen Weg über ging mir nur ein Gedanke durch den Kopf: Habe ich die richtige Entscheidung getroffen?
Im Winter zuvor hatte ich mich um einen Studienplatz an der National Chengchi University Taiwan (NCCU) in International Communication Studies beworben. Das Master-Programm nennt sich kurz IMICS und wird schon seit mehreren Jahren, zusammen mit anderen englischsprachigen Programmen, an der NCCU angeboten. Parallel dazu hatte ich mich um das National Taiwan Scholarship beworben. Als ich für beides im Frühjahr 2016 eine Zusage bekommen hatte, bin ich bin vor Freude in die Luft gesprungen.
So fand ich mich im September also auf dem tropischen Campus der NCCU wieder, dem man die akademischen Jahre zwar ansah, der aber dennoch majestätisch aus den grünen Bergen im Süden Taipeis hervorstach. Mein Jahrgang war eine tolle Mischung aus Taiwanern und internationalen Studierenden, die Mehrheit junge Frauen. Am ersten Unitag saßen wir bei der Vorstellungsrunde zunächst alle etwas verschüchtert nebeneinander. Doch es sollte der Anfang zweier ganz besonderer Jahre werden.
Das Studium
Die Professoren waren in der Regel taiwanischer Herkunft und haben oftmals an renommierten Universitäten in den USA oder in Großbritannien promoviert. Ich hatte sehr kompetente Dozenten, die den Unterricht motiviert und spannend gestalteten. Natürlich gab es auch einige, denen es in meinen Augen an der nötigen Fantasie in der Vermittlung mangelte. Das Kursangebot in meinem Programm war divers und reichte von Video Editing über Digital Games and Society bis hin zu News Writing and Reporting. Auch chinesischsprachige Kurse und die anderer Institute durften angerechnet werden und so belegte ich unter anderem Traditional Taiwanese Culture. Das war einer meiner Lieblingskurse, weil wir viel über taiwanische Rituale, Religion und Kultur gesprochen haben und auch viel Praxis mit dabei war, wie Tee brühen und Kalligrafie schreiben.
Was mir jedoch besonders gefallen hat, war die Tatsache, dass ich während des Studiums immer wieder aus meiner Komfortzone rauskam und eigene Ideen umsetzen konnte. Da wäre zum Beispiel der Dokumentarfilm, den ich über das Familienunternehmen einer Freundin gedreht habe; der Artikel über Veganismus in Taipei, der es in die Taipei Times geschafft hat, und meine Recherche zu Tattoos in Taiwan, die ich zum Thema meiner Masterarbeit gemacht habe. Dies waren alles Projekte, bei denen ich rausgehen und Menschen interviewen konnte. Dadurch erweiterte sich auch mein Netzwerk stetig: denn ich konnte mit Bloggern, Entrepreneuren, Künstlern, buddhistischen Mönchen, Aktivisten und Festival-Gründern sprechen und so interessante Einsichten in andere Lebenswelten erhalten. Ich war beispielsweise auf meiner ersten Tattoo Convention und habe eine Familiengeschichte auf Film festgehalten. Letzten Endes waren es diese Begegnungen, die meine Zeit in Taiwan bereichert haben.
Doch auch die Studienatmosphäre an der NCCU war angenehm. Ich habe zwei Jahre lang im Wohnheim auf dem Campus gelebt, was sich als weise Entscheidung herausstellte. Denn die Mietpreise in Taipei sind ähnlich hoch wie in Berlin und bewegen sich zwischen 8000-15000 NTD (was 230 bis 430 Euro entspricht) monatlich für ein Zimmer. Wenn man sich also für ein Zimmer im Wohnheim entscheidet, hat man zwar weniger Privatsphäre, zahlt dafür aber pro Monat nur knapp die Hälfte mit 4200 NTD (ca. 120 Euro). Man ist dadurch nicht nur direkt bei den Unterrichtsräumen, sondern hat auch das Fitness-Studio, die Laufbahn, das Schwimmbad, die Bibliotheken und die grünen Berge direkt in seiner Nähe.
Durch die geografischen Bedingungen regnet es auf dem Campus allerdings auch öfter und manchmal passierte es, dass ich vom sonnigen Stadtzentrum Taipeis in ein verregnetes Wenshan zurückfuhr. Davon sollte man sich jedoch nicht abschrecken lassen, denn die Berge bieten ausgezeichnete Wanderrouten, die mit einer tollen Aussicht belohnen und zu kleinen, gemütlich eingerichteten Teehäusern führen. Außerdem ist man schnell im Stadtzentrum, denn sowohl mit Bus und U-Bahn dauert es gerade einmal 20-30 Minuten zu den beliebten und belebten Orten Taipeis.
Und in der Freizeit?
Da ich eine Kaffee-Fanatikerin bin, habe ich Taipei im ersten Semester durch Café-Hopping erkundet. Jede Woche habe ich neue Cafés online recherchiert, die ich dann zum Lernen oder Schreiben aufsuchte und dadurch gleichzeitig auch neue Ecken entdeckte. Das Tolle an Cafés in Taipei ist, dass man nicht komisch beäugt wird, wenn man mit seinem Laptop anmarschiert und stundenlang vor Ort bleibt – denn genau das tun die meisten Café-Besucher. Es war eine schöne Abwechslung, nachmittags oder am Wochenende das Uni-Gelände zu verlassen und sich unters Volk zu mischen. Nach einem halbwegs produktiven Nachmittag genoss ich es abends über einen Nachtmarkt zu schlendern, taiwanische Nudelsuppe zu schlürfen oder ein shaved ice zu essen. So war das Taiwan-Erlebnis komplett!
Das kulturelle Angebot ist wirklich reichlich und man kann sich nicht über Langeweile beklagen. Das merkt man bereits nach einigen Facebook-Recherchen, denn der Großteil aller Veranstaltungen wird dort angekündigt. Wenn man neue taiwanische Freundschaften schließt, ist Facebook oder Line, eine Instant Messaging App aus Japan, auch meistens die Plattform der Wahl, um mit dem anderen in Kontakt zu bleiben. Von Nachtwanderungen über Beach Cleanups (bester Ansprechpartner: TAO!) bis hin zu Aktzeichnen, Food Festivals und Konzerten findet man wirklich alles. Es gibt tolle Venues wie den Red Room Taipei, wo regelmäßig kulturelle Aktivitäten stattfinden, lebhafte Bars, laute Clubs und Karaokehotels. Aber genauso kann man die Ruhe der Natur, frische Luft, große Nationalparks und Sandstrände genießen – und alles erreichbar mit dem öffentlichen Verkehrsnetz. Taipei ist so gut vernetzt.
Über all meine Erlebnisse nach zwei Jahren in Taiwan könnte ich glatt ein Buch schreiben. Ich habe Menschen aus aller Welt kennengelernt, echte Freundschaften geschlossen, war Teil eines Drachenboot-Teams und bin die Treppen eines der höchsten Gebäude der Welt, dem Taipei 101, hochgerannt. Ich durfte diese wunderbare grüne Insel im Pazifik mit all ihren herzlichen Bürgern kennenlernen, in die taiwanische Kultur eintauchen und gleichzeitig einen Studienabschluss in einem für mich neuen Bereich machen. Für mich war es die richtige Entscheidung gewesen, zum Studium nach Taiwan zu gehen. Und werde plötzlich ganz sentimental, wenn ich an die schöne Zeit zurückdenke.
Überlegst du auch einen Master in Taiwan zu machen?
Wer mehr zu den Master-Studienprogrammen an der NCCU lesen möchte, kann sich hier schlau machen:
http://nccuadmission.nccu.edu.tw/en/programs/English_Taught_ProgramsMehr Infos zu den Stipendien in Taiwan:
https://www.roc-taiwan.org/de_de/post/250.htmlWeitere Universitäten in Taipei:
National Taiwan University: http://www.ntu.edu.tw/english/
National Taiwan Normal University: http://en.ntnu.edu.tw/
Chinese Culture University: http://www.pccu.edu.tw/intl/page/english/
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